© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/06 09. Juni 2006

Subventionen für das grüne Image
Energiepoltik: Das "CO2-freie" Kohlekraftwerk ist Illusion / Technologiefeindlichkeit hat Deutschland geschadet
Christian Bartsch

Während sich die Große Koalition darin erschöpft, nach Wegen zur Steuererhöhung zu suchen, werden Milliarden für "Förderprogramme" verschleudert. Jüngstes Projekt ist das kohlendioxidfreie Kohlekraftwerk, für das Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), Vattenfall-Europa-Chef Klaus Rauscher und Bundeskanzlerin Angela Merkel letzte Woche in der Lausitz den Startschuß gaben. Doch mit dem Versuchskraftwerk in Schwarze Pumpe werden wir uns weltweit nicht etwa eine Führungsposition erobern, sondern blanken Hohn. 50 Millionen investiert Vattenfall in sein "grünes Image" - der Rest kommt vom Steuerzahler.

Als Physikerin hätte die CDU-Chefin wissen müssen, daß die Entfernung des Kohlendioxids (CO2) aus dem Rauchgas zwar theoretisch machbar ist, in der Realität aber energieintensiv sein wird, zum schnelleren Verbrauch der Braunkohle und zur Verdoppelung der Strompreise führen wird - bis es schon nach kurzer Zeit in den vorgesehenen geologischen Strukturen keinen Platz mehr gibt, um das CO2 einzulagern. Gegen eine eventuelle Speicherung am Meeresgrund laufen Ökologen bereits Sturm. So werden die Kraftwerksbetreiber stillschweigend zum Normalbetrieb zurückkehren, die subventionierten Abgasanlagen verschrotten und wie bisher das CO2 in die Luft blasen. Selbstverständlich ohne daran zu denken, die Energiepreise wieder zu senken.

Weltweit sind etwa 120 neue Atomkraftwerke geplant

"Man wundert sich über die Naivität, mit der private und öffentliche Mittel in Verfahren investiert werden, die nicht die geringste Chance einer Realisierung besitzen. Die reichlich fließenden öffentlichen Mittel scheinen sich lähmend auf die Gehirnströme auszuwirken. Dabei geht es um die Schaffung einer nachhaltig gestalteten Energieversorgung, nicht um die Entwicklung teurer Museumsstücke", schrieb Ulf Bossel vom European Fuel Cell Forum im schweizerischen Oberrohrdorf dazu in den VDI-Nachrichten.

Ähnlich illusorisch ist das Brennstoffzellenauto, das bisher ein (Steuer-) Milliardengrab war. Wie irreal das "Wasserstoffauto" ist, zeigt die Tatsache, daß seine Serienfertigung in ferne Zukunft verschoben wurde. "Bisher hat mir noch niemand erklären können, woher der Wasserstoff kommen soll", erklärte VW-Chef Bernd Pischetsrieder beim diesjährigen Internationalen Wiener Motorensymposium. Denn für die Herstellung eines Kubikmeters gasförmigen Wasserstoffs (H2) aus Wasser werden 4,5 Kilowattstunden Strom benötigt. Die Umstellung auf eine "Wasserstoffwirtschaft" würde Milliarden Euro verschlingen und den sofortigen Neubau einer Reihe von Kernkraftwerken erfordern. Wasserstoff aus "regenerativen Quellen" ist nur Theorie.

Wenn man die Atmosphäre vom überhöhten Eintrag von CO2 befreien will, gibt es ein einfaches Mittel, das im Ausland längst wiederentdeckt wurde, nämlich die Nutzung der Kernenergie für die Stromerzeugung. Sie ist zudem das einfachste Mittel, um die Strompreise auf einem erträglichen Niveau zu halten. Gegenwärtig werden überall in der Welt etwa 120 neue AKW geplant, entwickelt und gebaut - ohne deutsche Mithilfe. Mit der Kernenergie aber schnitt man hierzulande auch die Spitze der Forschungspyramide ab.

Hatten sich deutsche Naturwissenschaftler und Ingenieure bis an die Spitze der kerntechnischen Forschung vorgearbeitet, genießen nun andere die Früchte. So baut ein britisches Unternehmen in Südafrika einen ersten Hochtemperatur- oder Kugelhaufenreaktor (HTR), der in Deutschland entwickelt wurde. Nach erfolgreichem Probelauf beabsichtigt die Firma die Herstellung von 24 weiteren Reaktoren, für die weltweit große Nachfrage besteht. Der HTR ist nach bisherigem Wissen die sicherste Reaktorlinie überhaupt, läßt sich auch in kleinen Einheiten zur dezentralen Energieversorgung verwenden und hat keine Abgase.

Der HTR war übrigens als Hilfe für die Verfahrenstechnik entwickelt worden, um ihr Strom und Prozeßwärme zu liefern. Damit hätte die Verflüssigung der Kohle etwa zu Kraftstoffen im Wirkungsgrad erheblich gesteigert werden können. Der synthetische Kohlekraftstoff wäre angesichts explodierender Ölpreise wettbewerbsfähig. Auch die Chemische Industrie war am HTR interessiert. Die BASF wollte zwei Reaktoren mit 200 und 80 Megawatt Lei-stung errichten, mußte das Projekt aber aufgeben, weil sie von der regierenden Verhinderungspolitik keine Genehmigung zu erwarten hatte.

Deutscher Forschergeist ist noch nicht völlig erloschen

Doch der deutsche Forschergeist ist noch nicht völlig erloschen. So entwickelte der Ingenieur Bodo Wolf zu Beginn der neunziger Jahre ein Verfahren, um aus Biomasse oder organischem Müll Diesel herzustellen. Er gründete in Freiberg/Sachsen die Firma Choren und baute eine kleine Versuchsanlage auf, die seit 1998 ununterbrochen läuft. DaimlerChrysler und VW wurden auf ihn aufmerksam, schließlich beteiligte sich vor einem Jahr der Shell-Konzern an dem Freiberger Unternehmen. Mit privaten Geldern wurde eine zweite, größere Anlage auf dem gleichen Gelände gebaut, die mit Beginn des nächsten Jahres 15.000 Tonnen Dieselkraftstoff pro Jahr produzieren wird, die auf Jahre hinaus ausverkauft sind. Beim heutigen Stand wird der Kraftstoff BTL (Biomass To Liquid) oder Sunfuel ab Fabrik nur etwa 55 Cent pro Liter kosten.

Lieferant der Biomasse sollte die Landwirtschaft sein, die sich mit "Energieanbau" von Subventionen lösen könnte. Der heutige Choren-Chef Tom Blades rechnet beim zügigen Ausbau solcher Anlagen mit insgesamt 1,5 Millionen Arbeitsplätzen. Abgesehen davon würden mit der Zahl der Syntheseanlagen die Kosten für Erdölimporte sinken. Bei der Verwertung der Biomasse zu BTL sinken die Abgasschadstoffe ohne weitere Änderungen an den Motoren um die Hälfte, außerdem laufen die Motoren dann quasi umweltneutral. Denn sie emittieren nur noch das an CO2 was die Pflanzen zuvor der Atmosphäre entzogen haben.


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