© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/06 09. Juni 2006

Eckstöße: Marginalien zur Fußball-WM (Folge XIV)
Wo der Sozialneid schweigt
Arthur Hiller

Ab diesem Freitag stehen 736 Kicker aus 32 Ländern vor der Aufgabe, in den kommenden vier Wochen das WM-Turnier zur Aufführung zu bringen. Unter ihnen werden auch die Spitzenverdiener der Branche anzutreffen sein. Deren Zahl ist zwar beachtlich, aber das Gros der Kader stellen natürlich weiterhin Akteure, deren Einkommen sich mit dem der wirklich Reichen in ihrem jeweiligen Land nicht messen kann. So erreicht das Salär eines durchschnittlichen Spielers des DFB-Teams vielleicht in etwa die Bezüge, die in einem Dax-Unternehmen ein Angehöriger der zweiten Führungsebene einstreicht. Die Schwelle, ab der die Reichensteuer zukünftig greifen soll, ist damit aber immer noch in Sichtweite.

Einkommensmillionäre oder gar -multimillionäre in so großer Zahl findet man abseits der WM aber dennoch wohl nur auf der Oscar-Preisverleihung oder dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos. Während letzterer alljährlich Rituale des Protestes auslöst, sind derartige Manifestationen des Neides und des Mißtrauens gegen die Macht des Geldes anläßlich des großen Fußballereignisses nicht zu erwarten. Obwohl es ja eigentlich nicht unüblich ist, den Zusammenhang zwischen der Leistung von Top-Managern und ihrem exorbitanten Gehalt zu bezweifeln und im profanen Arbeits-alltag mißgünstig darauf zu achten, ob die Kollegen mit einem ähnlichen Aufgabenspektrum nicht mehr verdienen mögen, stehen die Einkünfte der Fußballprofis nur dann in der Kritik, wenn sie durch konstant schlechte Leistungen ihre Mannschaft in den Abgrund zu reißen drohen. Es scheint vielmehr die Fans sogar mit Stolz zu erfüllen, wenn sich ihr Verein einen besonders teuren Spieler leisten kann.

Zwei Gründe sind es wohl in erster Linie, die den geschäftsmäßig betriebenen Fußball als eine der raren Oasen des sozialen Friedens erhalten, in denen nicht der Neid regiert. Zum einen weisen die allermeisten Spielerbiographien darauf hin, daß man es durch den Erfolg auf dem grünen Rasen zu etwas bringen kann, auch wenn man aus bescheidenen Verhältnissen stammt. Wer von unten kommt, also von dort her, wo die Mehrheit der Zuschauer steht und ihr Leben lang bleibt, muß weniger Mißgunst befürchten.

Zum anderen gründet die Hingabe an den Fußball auf der Illusion, daß zwischen den Fans und den Akteuren ihres Teams ein heiliges Band der Gemeinschaft besteht, das durch so profane Dinge wie Geld nicht tangiert werden kann.

Diese Illusion ist bezüglich der "Nationalmannschaft" am stärksten. Hier ist nämlich nicht nur der Fan, sondern auch der Spieler zur Treue verdammt. Er mag zwar irgendwann aufgrund einer Verletzung oder schlechter Leistungen wieder aus dem Kader verschwinden. Er wird aber nie zu einer anderen Nationalmannschaft überlaufen.


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