© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/06 09. Juni 2006

Leserbriefe

Zum Schwerpunktthema: "Die Stunde der Patrioten", JF 23/06

Metapolitischer Ansatz vermißt

Bei steigender Qualität in Sachfragen vermisse ich bei der JF in letzter Zeit zunehmend den metapolitischen Ansatz, das Tiefbohren in den Paradoxien des Zeitgei-stes: Die linke Kollektivschuldthese beruht doch auf einem rechten Volksverständnis: Wenn selbst Enkeln von Tätern und Nichttätern eine gemeinsame und nicht endende Verantwortung für die Untaten der jüngeren deutschen Geschichte quasi im Sinne einer Erbsünde zugeschrieben wird, dann ist dies doch ein krasser Gegensatz zur sonstigen linken Lieblingsvorstellung vom freien, ungebundenen Individuum.

Die logische Konsequenz aus der linken Emanzipationsideologie wäre demnach auch die Emanzipation der Deutschen vom Holocaust. Dies führt jedoch zu einem Dilemma der linken und rechten Kräfte gleichermaßen: Für die Linke heißt die angestrebte Emanzipation von Deutschland auch zunehmender Wirkungsverlust von Auschwitz als deutschem Fundamentalmythos, für die Rechte bedeutet die angestrebte Rückbindung des Individuums in Volk und Geschichte auch die Rückkehr des Holocaust als ein Fixpunkt deutscher Identität: Deutscher zu sein, ist heute etwas anderes als vor dem Holocaust. Dies mit seinen Konsequenzen durchzudenken, halte ich für ein weitblikkendes Medium der intellektuellen Rechten für fruchtbringender als beispielsweise Opferzahlendebatten über Dresden anno 1945. 

Philipp Kalk, Berlin

 

 

Zu: "Der Blick ist verstellt" von Dieter Stein, JF 23/06

Familiäres Vorbild Norwegen

Theoretisch könnte man Dieter Stein zustimmen, daß wir "endlich über ein anderes gesellschaftliches Leitbild reden" müssen. Ich fürchte jedoch, daß wir mit Leitbilddebatten an der heutigen jungen Frauengeneration glatt vorbeireden. Suchen wir uns Vorbilder dafür, wie eine Umkehr zum Bevölkerungswachstum zu schaffen ist: Eine meiner Töchter (ich habe fünf Kinder und 14 Enkel) berichtet von einem Urlaub in Norwegen, daß dort junge Mütter im ersten Jahr nach der Geburt ihres Kindes ihr volles Gehalt und zwei weitere Jahre 80 Prozent ihres Gehalts vom Staat erhalten. "Überall sehe ich Kinderwagen, und es ist eine richtige fröhliche Aufbruchstimmung zu spüren", schrieb sie mir. - Norwegens Beispiel sei unserem Land zur Nachahmung empfohlen, auch wenn wir für die Finanzierung vielleicht an anderen Stellen schmerzhafte Einsparungen vornehmen müssen.

Walter-Christian Mehring, Laatzen

 

 

Zu: "Kleinlaute Reaktion" von Peter Freitag, JF 23/06

Verleumderische Diktion

Es ärgert mich immer wieder, wie die verleumderische Diktion unserer Medien sogar von deren Kritikern übernommen wird: Ihr Autor resümiert ganz sachlich den Stand der Dinge im Fall Ermyas M., in dem es immer mehr auf eine nächtliche Schlägerei unter Betrunkenen hinausläuft. Dennoch verwendet der Autor allein in den ersten beiden Absätzen zweimal das Wort "Überfall". Warum setzt er nicht gleich "fremdenfeindlich" hinzu? Die Manipulation ist schon so total, daß sie kaum noch einer merkt.

Dr. Dr.med. Ralph Brachtel, Mainz

 

 

Zu: "Falsche Verheißung" von Klaus Peter Krause, JF 22/06

Chancengleichheit nicht neu

Die vielbeschworene Chancengleichheit ist keineswegs erst in den letzten Jahrzehnten eingezogen. Sie bestand durchaus schon seit 100 bis 130 Jahren, vielleicht schon früher. Ein sozialer und bildungsmäßiger Aufstieg in den aufeinanderfolgenden Generationen scheint mir - anhand meiner eigenen Familiengeschichte - durchaus symptomatisch. Sie schildert nur einige der Chancen, die schon seit vielen Jahrzehnten offenstanden. Sie erforderten allerdings vielfach große Opfer nicht nur der Eltern, sondern oft ganzer Großfamilien. Gar nicht selten wurde ein meistens jüngerer Sohn für die Laufbahn zum Volksschullehrer ausersehen, der seinerseits versuchte, einen Sohn Arzt, Apotheker oder Pastor werden zu lassen.

Ich halte auch für die Zukunft daran fest, daß jedem jungen Menschen alle Wege offenstehen sollen, aber nicht als Anspruch an die Gesellschaft, sondern verbunden mit der Forderung der Gesellschaft nach Fleiß, Tatkraft, Ausdauer, Entschlußfreudigkeit und nicht zuletzt zum Verzicht auf das eine oder andere Vergnügen. 

Wilfried Stecher, Fredenbeck

 

 

Zur Meldung: "Kriegergedenkkapelle geschändet", JF 22/06

Erklärungsnot gegenüber Enkeln

Mit Bestürzung habe ich von der Verwüstung der Kriegergedenkkapelle in Garmisch-Partenkirchen gelesen. Im vergangenen Jahr war ich dort Feriengast und habe an einem Gedenkgottesdienst auf dem Gelände der Kapelle teilgenommen. Begleitet wurde ich von meinen Enkeln. Anhand der an der Halle angebrachten Erinnerungstafeln mit Lebensdaten und Bildern der gefallenen Soldaten konnte ich meinen Enkeln verdeutlichen, wie tief Trauer und Elend die hinterbliebenen Eltern, Frauen und Kinder trifft. Wie kann ich meinen Enkeln jetzt erklären, daß es Menschen gibt, die den Hinterbliebenen verwehren wollen, ihrer Trauer in einer kleinen, persönlichen Gedenktafel Ausdruck zu verleihen? Soll ich sagen, gefallene Soldaten sind es nicht wert, betrauert zu werden? Oder muß ich zum Mittel der Political Correctness greifen und erklären, daß sichtbare Zeichen privater Trauer in unserem Land nur dann geduldet werden, wenn es sich um "zeitgemäße" Opfer handelt? Meine Enkel würden mich nicht verstehen. Sie können noch nicht zwischen guten und bösen, gerechten und ungerechten, linken und rechten Opfern unterscheiden. Den Zusammenhang werde ich ihnen erst in den oberen Schulklassen erklären können.

Frieder Hamann, Niederkassel

 

 

Zu: "Gründungsfieber rechts der Mitte" von Arnold Steiner, JF 22/06

Zentrumspartei auch nach 1945

Der Autor behauptet, die Zentrumspartei sei "seit 1933 bis auf wenige kommunale Ausnahmen faktisch bedeutungslos gewesen". Dies ist nachweislich falsch und gegendarstellungsfähig:

Tatsache ist, daß die Zentrumspartei dem ersten und zweiten Deutschen Bundestag mit zehn beziehungsweise drei Abgeordneten angehörte. Sie war zudem im parlamentarischen Rat vertreten und hat einen erheblichen Anteil an der Gestaltung des Grundgesetzes.

Tatsache ist, daß die Zentrumspartei seit den ersten Landtagswahlen der Nachkriegszeit von 1947 bis 1959 im Landtag von Niedersachsen und von 1947 bis 1958 im Landtag von Nordrhein-Westfalen vertreten war und dort sogar durchgängig als Regierungspartei mitgewirkt hat. Sie stellte dort mit Rudolf Amelunxen den ersten Ministerpräsidenten. Überdies stellte die Zentrumspartei in dieser Zeit die Minister für Soziales, Justiz, Verkehr und Kultur. In Niedersachsen besetzte sie das Justizministerium. Bei den Landtagswahlen 1947 in Nordrhein-Westfalen hat die Zentrumspartei 9,5 Prozent der Wählerstimmen (20 Landtagsmandate) errungen. In Niedersachsen waren es 4,1 Prozent (sechs Mandate). So tragen übrigens auch die Landesverfassungen von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen deutlich die Handschrift der Zentrumspartei.

Gerhard Woitzik, Dormagen, Bundesvorsitzender Deutsche Zentrumspartei

 

 

Zu: "Das Narrenkarussell dreht sich weiter" von Doris Neujahr, JF 22/06

Wehners SPD tapferer als Union

Unter dem Ausländerproblem leiden alle Deutsche. Den Alarm in der Rütli-Schule hat die linke Lehrerschaft ausgelöst. Die Union ist zu feige, das Problem zu lösen, die SPD ist immer "tapferer". Vergessen wir doch bitte nicht, es war die Ebert/Noske-Regierung, die 1919 durch Beseitigung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg Millionen Deutsche vor dem kommunistischen Terror gerettet hat. Selbst Schily war energischer als heute Schäuble. Schon Wehner sagte seinerzeit, wenn wir das Ausländerproblem nicht lösen, kommen die Faschisten.

Franz Harder, Leopoldshöhe

 

 

Zu: "Als die Ideologie über die Forschung triumphierte" von Thorsten Thaler, JF 22/06

Disziplinierende "Singularität"

Kaum etwas charakterisiert die antifaschistisch orientierte Ausrichtung der bundesrepublikanischen Geschichtsdeutung nach 1968 treffender als die Formel von der "Singularität der nationalsozialistischen Verbrechen". Kein Historiker hierzulande kann es sich mehr leisten, diese Sichtweise in Zweifel zu ziehen, da er sonst seine berufliche Existenz gefährden oder gar einen Strafprozeß riskieren würde. Wer nach einer Begründung für diese "Einzigartigkeit" fragt, wird meist auf Motivation und Ausführung dieses Menschheitsverbrechens verwiesen - freilich so gut wie nie auf die Zahl der Opfer, von denen bekanntlich die europäischen Juden die größte Gruppe darstellen. Denn die Opferzahl stalinistischer Gewaltverbrechen ist um ein Vielfaches höher. Die ebenfalls in die Zig-Millionen gehenden Opferzahlen anderer kommunistischer Gewaltregime sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt.

Ob nun "Klassenmord" weniger verwerflich ist als "Rassenmord", ist eher eine philosophische Frage. Für den einzelnen machte es letztendlich keinen Unterschied, ob er aus Klassenhaß oder aus Rassen- respektive Judenhaß gequält und umgebracht wurde, ob er im Stalinschen Archipel Gulag vor Hunger und Erschöpfung elend verreckte oder in einem NS-Vernichtungslager durch Giftgas "industriell" getötet wurde. NS-bezogene "Singularität" ist ein begriffliches Disziplinierungsinstrument linker Gralshüter des deutschen kollektiven Schuldkomplexes, die damit die historische Wahrheit, daß die stalinistischen und nationalsozialistischen Verbrechen auf ein und derselben amoralischen Ebene angesiedelt sind, aus dem öffentlichen Bewußtsein verdrängen wollen. Diesen Geschichtsmanipulateuren sei - in Anlehnung an einen Ausspruch Max Horkheimers - zugerufen: Wer vom Archipel Gulag nicht sprechen will, sollte tunlichst auch von Auschwitz schweigen! 

Bernd Sydow, Berlin

 

 

Zum Leserbrief "Warum nicht an Jünger halten?" von Dieter Backensfeld, JF 22/06

Deutsche Schwarzmalerei

Der US-amerikanische Kriegsverbrecher Ernest Hemingway hat während des letzten Krieges gesagt, man müsse Deutschland vollständig besiegen und besetzen, dann habe man 100 Jahre "Ruhe" vor den Deutschen. 61 Jahre sind nun vergangen, 39 Jahre Ruhe stehen (vielleicht) noch aus. Defätisten wie Herrn Backensfeld rate ich von der Lektüre der JF ab, da hier trotz aller Analysen der Mißstände auch immer wieder Optimismus verbreitet wird. Lest Frankfurter Rundschau oder taz und laßt die Tatkräftigen mit euren völlig unproduktiven und "typisch deutschen" Schwarzmalereien in Ruhe!

Theo Mittrup, Berlin

 

 

Zu: "NS-Verbrechen vs. SED-Unrecht", Interview mit Jan von Flocken, JF 21/06

Ex-DDR-Genossen Hand gereicht

Das Interview mit Jan von Flocken bringt es wunderbar auf den Punkt. Die mediale politisch-korrekte Mache in bezug auf die NS-Vergangenheit dient vor allem der ideologischen Selbstvergewisserung der Machthaber in Politik und Mainstream-Medien des herrschenden Demokratismus. Die Behauptung, das es um die Opfer ginge, ist nicht mehr als eine Schutzbehauptung, um im gegenwärtigen politischen Machtgerangel Deutungshoheit und politisch-kulturelle Hegemonie zu festigen, sowie lukrative, einkommensverschaffende Positionen zu besetzen.

Die andere deutsche Diktatur, der Kommunismus, dessen weltanschaulicher Hintergrund in seiner stalinistischen Vervollkommnung (Stalin, Mao, Pol Pot etc.) weltweit im 20. Jahrhundert die meisten Vernichtungsopfer zu verantworten hatte, wird in der Opferhierarchie als zweitrangig eingestuft. Das ist kein Wunder - wenn transformierte Poststalinisten der SED/PDS/Linkspartei heute darüber mitzuentscheiden haben -, aber auch nur die halbe Wahrheit. Ehemalige Westlinke, die den Ritt durch die Institutionen, Parteien und Verbände, erfolgreich absolviert haben, können heute ihren Genossen aus der Ex-DDR brüderlich die Hand reichen. Leider haben sie den Kalten Krieg nicht wirklich verloren. 

Bernd Volkhardt, Berlin

 

 

Zu: "Wiederkehr der Inquisition" von Wolfgang Philipp, JF 21/06

Antidiskriminierung bei Mozart

Seit über einem Jahr debattieren die Politiker über das Antidiskriminierungsgesetz und haben ihm sogar einen anderen Namen gegeben (Gleichstellungsgesetz). - als wenn das den inhaltlichen Nonsens verringern würde. Dabei hat keiner gemerkt, daß sich Mozart und Da Ponte schon vor über 230 Jahren über solchen Unsinn lustig gemacht haben. Wenn Don Giovanni in der gleichnamigen Oper direkt nach dem Duett Giovanni/Leporello zu Anfang des zweiten Aktes im Rezitativ singt (ins Deutsche übertragen): "denn wer nur einer treu ist, begeht ein Unrecht an den anderen", so ist dies womöglich ein meisterhafter Kommentar zu dem "Gleichstellungsgesetz".

Klaus Volk, Augsburg

 

 

Zu: "Diskriminierung der anderen Art" von Bruno Bandulet, JF 21/06

Verlogen und geheuchelt

Besser als in diesem Beitrag kann man die zunehmende Misere in Deutschland nicht beschreiben. Die Beispiele, die uns das neue "Gleichbehandlungsgesetz" beschert, von der Verweigerung einer Gedenkstätte für die Opfer der Vertreibung über die Benachteiligung der deutschen Sprache in der EU bis zur weiterbestehenden Feindstaatenklausel, machen die ganze Verlogenheit und Heuchelei deutlich, die uns auch damit zugemutet wird. 

Prof. Dr. Egon Kunze, Bergisch Gladbach

 

 

Zum Schwerpunktthema: "Rückzug der nationalen Kultur", JF 20/06

In Amerika ein Deutschtrend

Trotz der finanziellen Beschneidungen im Bereich der auswärtigen Kulturpolitik zeichnet sich im amerikanischen Journalismus deutlich ein Trend zur deutschen Sprache hin ab. Neben geisteswissenschaftlichen und sozialen Begriffen wie beispielsweise leitmotif, zeitgeist oder kindergarten ist auch die Nutzung anderer deutscher Wörter en vogue: angst, kaput oder das sehr populäre Präfix uber- (zum Beispiel in Artikeln auf www.foxsports.com). Anzumerken ist, daß moderne (Online-)Wörterbücher viele "eingeenglischte" Wörter als "slang words" oder "colloquial speech", also als Umgangssprache, verzeichnen. Dieses Phänomen mag vielleicht nicht brandneu sein, ist jedoch aufgrund der umgekehrten Vorzeichen bei uns und des zunehmenden Anglizismendschungels doch bemerkenswert. 

Jonas Falk, Wesel

 

 

Zu: "Steine des Anstoßes" von Ekkehard Schultz, JF 20/06

Ergänzung und Klarstellung

Ihr wohltuend objektiver Bericht über den Verein Gedächtnisstätte und sein Vorhaben, eine würdige Gedenkstätte in Borna (südlich von Leipzig) für die deutschen Opfer nach dem Ende des Krieges zu schaffen, bedarf inhaltlich einer kleinen Ergänzung und Klarstellung.

Der Verein wurde 1993 von sieben Mitgliedern gegründet. Keiner dieser Mitglieder wurde, wie fälschlich durch das Landesamt für Verfassungsschutz (VS) Nordrhein-Westfalen behauptet, rechtskräftig wegen Volksverhetzung verurteilt. Diese Fehlmeldung und auch der Versuch der Leipziger Volkszeitung und später auch anderer Medien, über die anfängliche Adressengleichheit mit dem "Collegium Humanum" den Verein Gedächtnisstätte politisch in die "rechte Ecke" zu stellen, ist wohl nunmehr gescheitert. Der Verein Gedächtnisstätte will nach Jahrzehnten der politischen Untätigkeit endlich ein Herzensanliegen von vielen Millionen Menschen in Deutschland erfüllen, der Toten zu gedenken, die man in der gesamten Aufarbeitung unserer Geschichte "vergessen" hat. 

Wolfram Schiedewitz, 1. Vorsitzender des Vereins Gedächtnisstätte, Seevetal

 

 

Zu: "Asymmetrie des Gesetzes" von Georg Pfeiffer, JF 19/06

Vorverurteilende Statistiken

Wie lange soll diese rechtsstaatswidrige Veröffentlichungspraxis fortdauern? Bevor überhaupt ein Gericht ein rechtskräftiges Urteil gefällt hat, werden uns pausenlos Zählungen über angeblich "politisch motivierte" Straftaten als endgültig präsentiert. Wann begreifen die Innenminister und Verfassungsschützer die Rechtswidrigkeit ihrer vorverurteilenden Statistiken? 

Dr. Albrecht Giese, Emmelshausen


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen