© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/06 16. Juni 2006

Mit dem Rücken zur Wand
Berlin: Mit Demonstrationen und einem Bürgerbegehren versuchen die Einwohner des Stadtteils Pankow-Heinersdorf den Bau einer Moschee zu verhindern
Curd-Torsten Weick

Unter den Klängen des Chattanooga Choo Choo setzte sich in der vergangenen Woche der Demonstrationszug in Bewegung. Doch keiner der Gegner des Moscheebaus im Berliner Bezirk Pankow-Heinersdorf dachte in diesem Moment an das Swingstück von Glenn Miller, sondern sang innerlich Udo Lindenbergs "Sonderzug nach Pankow".

Und der Zug durch Pankow hatte es in sich. Wurden anfangs noch Träger für die Plakate mit den Botschaften "Demokratie heißt - Wille der Mehrheit gilt: Keine Moschee in Pankow," "Bürgerbegehren gegen Moscheebau", und "Wer Ja sagt zur Ahmadiyya, sagt Nein zur Demokratie" gesucht, vergrößerte sich der Zug auf seinem Weg vom geplanten Bauplatz der Ahmadiyya-Moschee in der Heinersdorfer Tiniusstraße zum Pankower Rathaus von Minute zu Minute und zählte zum Abschluß mehr als 3.000 Menschen. Vielstimmig hallte sodann ein "Nein, Nein, Nein zur Moschee" durch die Straßen des nordöstlichen Berliner Bezirks.

Aufgerufen hatte die Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger (IPAHB), die die Demonstration dann auch als einen "großen Erfolg" wertete. Gegründet wurde die Initiative, nachdem im März öffentlich wurde, daß die Ahmadiyya Muslim Gemeinde eine Moschee mit Minarett und Kongreßzentrum bauen will und die Bauvoranfrage bereits positiv beschieden worden war. Die Heinersdorfer sahen sich von der Politik übergangen. Flugs regte sich Protest in einem Stadtviertel, in dem bislang kaum Muslime wohnen: Man sehe sich vor vollendete Tatsachen gestellt, wolle keine Verhältnisse wie in einigen Stadtteilen im Westen der Stadt, fürchte "Missionierungsversuche" und Auseinandersetzungen von Islamisten und ausländerfeindlichen Extremisten.

Doch Greifbares wurde nicht erreicht. Im Gegenteil. Eine eigens anberaumte Bürgerversammlung wurde auf Anraten der Polizei schon vor Beginn abgebrochen (JF 15 und 17/06). Auch eine im Anschluß daran angekündigte Bürgerversammlung wurde verworfen - erneute Begründung: die Frage der Sicherheit. Da half dann auch ein aufklärender Bürgerbrief nichts weiter.

"Es gibt keinen Grund, diesen Bau zu verweigern," erklärte Pankows Bürgermeister Burkhard Kleinert von der Linkspartei.PDS. Ein politischer Entscheidungsspielraum bestehe nicht. Überhaupt werde der Bauantrag der Muslim-Gemeinde wie üblich allein nach bestehendem Baurecht bewertet. Parallel hierzu wandten sich die Pankower Linkspartei, die Grünen und SPD gegen die Pankower CDU und den Berliner CDU-Spitzenkandidaten zur Abgeordnetenhauswahl, Friedbert Pflüger, die das Anliegen der IPAHB unterstützen. Deren Engagement gegen den Moscheebau habe das Image des Ortsteils und Berlins verschlechtert: "Statt für Weltoffenheit und Toleranz einzutreten, ist Hysterie geschürt worden."

Die Initiative steht mit dem Rücken zur Wand - zumal ihre Absicht, ein Bürgerbegehren zu starten, bereits im Vorfeld durch die Berliner Senatsinnenverwaltung als verfassungswidrig abgelehnt wurde, da es die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit verletze. Dennoch hält sie am Bürgerbegehren fest und zeigt sich kämpferisch. Kämpferisch gegen die zumeist "tendenziöse und einseitige" Berichterstattung der Presse. Kämpferisch aber auch gegen die "Instrumentalisierungversuche" durch die NPD und die Republikaner. Die Heinersdorfer Bürger lassen sich nicht in die rechte Ecke drängen, sagen deren Sprecher unisono.

Übrigens, Chattanooga im US-Bundesstaat Tennessee hat knapp 155.000 Einwohner, mehr als 1.000 Kirchen, drei Synagogen und eine Moschee. Heinersdorf hat etwa sechstausend Einwohner - von denen bisher 4.132 per Unterschriften ihre Ablehnung zum Moscheebau bekundet haben.

Weitere Informationen zur Bürgerbewegung im Internet unter www.ipahb.de 


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