© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/06 16. Juni 2006

Gegenhalten
Stimme der Mehrheit: Deutsche Leitkultur und Werte
Curd-Torsten Weick

Die Spaßgesellschaft ist am Ende. Spätestens nachdem Ex-Ministerpräsidentin Heide Simonis in der RTL-Tanzshow "Let's Dance" entnervt das Handtuch warf. Wenn es nach dem Sozialphilosophen Günter Rohrmoser geht, steht Deutschland vor einer neuen nationalen Normalität. Einer Normalität, zu der "die Globalisierung, die drei Millionen Türken in Deutschland und die Schwierigkeiten um Hartz IV" die Nation und ihre Bürger treiben werden. Schluß mit dem Geschichtsverlust, Schluß mit der nationalen Selbstverleugnung. In Zukunft werde allein noch der Wille zur Selbsterhaltung gelten.

Unablässige Flucht aus der nationalen Haut

Die Stimme der Mehrheit, ein Zusammenschluß frei denkender Schriftsteller, Journalisten, Verleger und Wissenschaftler, die in wertkonservativen und liberalen Gedanken übereinstimmen, hatte gerufen und mehr als 150 Interessierte fanden sich im hessischen Fulda ein. Zum Thema "Die deutsche Leitkultur und gemeinsame Werte in Deutschland" kamen die frühere Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld, Walter Krämer von der Gesellschaft für deutsche Sprache und Rohrmoser. Souverän geleitet von Generalmajor a. D. Gerd Schultze-Rhonhof zogen die drei Referenten die Besucher in ihren Bann.

"Viele reden von Leitkultur, vor allem ablehnend, und wüßten nicht einmal was Leitkultur ist" erklärte Lengsfeld und verwies - zur Überraschung vieler - auf Bassam Tibi und dessen Werte einer europäischen Leitkultur (Demokratie, Laizismus, Aufklärung, Menschenrechte und Zivilgesellschaft). Sie geißelte ein "falschverstandenes Gutmenschentum" und beschwor ihre neue Leitkultur: die der Selbständigkeit. "Anpacken statt Almosen empfangen" erklärte sie und übergab den Stab an Walter Krämer. Thema des Professors für Wirtschafts- und Sozialstatistik: die deutsche Sprache als Medium für gemeinsame Wertvorstellungen.

"Wer nichts zu sagen hat, sagt es auf englisch" erklärte Krämer, kritisierte die vielfältige Roßtäuscherei, wenn aus einem Bestatter ein Funeralmaster wird und die unablässige Flucht aus der "nationalen Haut" ins Englische. So verfahre die Werbewirtschaft eben frei nach dem Motto "lieber ein halber Ami, als ein ganzer Nazi": Siemens wirbt in Spanien auf spanisch, in Rußland auf russisch und in Deutschland auf - englisch. "Selbstverleugnung" nennt dies Krämer und verweist auf eine mehr als deutliche Äußerung des deutsch-amerikanischen Informatikers Joseph Weizenbaum: " Jeder Mensch denkt in seiner eigenen Sprache mit den ihren eigenen Nuancen. Die Sucht vieler Deutscher nach englischen Brocken erzeugt dagegen Spracharmut, Sprachgulasch. Ideen können so nicht entstehen." Es sieht also nicht gut aus um Innovation und wissenschaftlichen Fortschritt in Deutschland. Dem nicht genug. Denn die Sprache, so Krämer, sei vor allem die Gesamtheit eines komplexen Regelwerks. Eines einmaligen Codes. Doch Sprachpanscherei nach dem Motto "New Work für Daily Business" ergibt verwirrende Code-Sprünge, die den unersetzbaren Tiefencode aufweichen und die Sprache letztendlich zurück zu Grunzlauten führen wird. So weit ist es noch nicht. Doch deuten die Zeichen in diese Richtung.

Abschließend erklärte Rohrmoser seine Sicht zur Diskussion der Leitkultur. Sie sei eben nur das Symptom einer Krankheit. Nun gelte neues konservatives Gegenhalten.

Kontakt unter www.stimmedermehrheit.de 


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