© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/06 23. Juni 2006

Von Mäusen und Mädchen
Achtundsechzig: Der Chef des Springer-Verlages will sein Haus einer "selbstkritischen Revision" unterziehen
Andreas Wild

Im Verlagshaus der Axel Springer AG kursiert schon seit längerem ein Scherzdialog. A fragt B: "Was sagt denn unser Großer Vorsitzender zu dem und dem?" B antwortet: "Schlag nach bei der Konkurrenz!" Denn der Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner liebt es, in Spiegel, Zeit oder FAZ große Interviews zu geben oder sich dort auf lange "Streitgespräche" einzulassen, so soeben wieder im neuen Spiegel mit dem Nobelpreisträger Günter Grass. Moderiert wird das Ganze von Manfred Bissinger.

Bissinger fragt aus Aktualitätsgründen nach dem Patriotsein. Grass sagt: "Ich bin ausgesprochener Patriot." Döpfner hingegen will den Begriff "so nicht annehmen". Was er für sein Teil ist, hat er schon gleich zu Eingang des Gesprächs gesagt: "Ich bin ein nichtjüdischer Zionist." Außerdem sei er ein leidenschaftlicher Anhänger des amerikanischen Kapitalismus.

Und er, Döpfner, hat ein brennendes Anliegen, das er auch hier wieder ausführlich zur Sprache bringt: Er will die Vergangenheit seines Hauses in dessen Bezug zu den 68ern "aufarbeiten". Auf beiden Seiten seien Fehler gemacht worden, versichert er eins ums andere Mal. Freilich, er selbst habe keine Fehler gemacht, er sei ja damals noch ein kleiner, neunjähriger Bub gewesen, exklusiv "mit Mäusezucht und Mädchen" beschäftigt. Nun müsse er sich also "per Akten" in die Sache hineinarbeiten.

Hoffentlich schreitet sein diesbezügliches Wissen bald ebenso zügig voran wie sein Wissen über Zionismus und Kapitalismus. Immerhin eröffnet sich ja ein weites Studienfeld mit wahren Aktenbergen aus Achtundsechziger-Zeiten über Morde, Brandstiftungen, Terroranschläge, dubiose Palästinenser-Konnexionen.

"Ich finde, die größte Errungenschaft der 68er-Bewegung ist ein tiefwurzelnder antiautoritärer Reflex", sagt Mathias Döpfner. Und außerdem: "Ich bin bereit im Hinblick auf 1968, für den Axel Springer Verlag eine selbstkritische Revision zu führen." Ob seine Autorität als Vorsitzender dazu ausreicht?


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