© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/06 30. Juni 2006

Moderatere Töne
EU-USA-Gipfel: Die Bush-Visite in Wien brachte kaum Ergebnisse / Atom- und Energiefrage erörtert
Alexander Griesbach

Vom Besuch des US-Präsidenten beim EU-USA-Treffen in Wien letzte Woche dürften vor allem die massiven Sicherheitsvorkehrungen in Erinnerung bleiben, welche die Donaumetropole vorübergehend in den Ausnahmezustand versetzten. Zählbare Ergebnisse gab es hingegen kaum, außer einem Abkommen zur Verbesserung der Zusammenarbeit der Hochschulen in den USA und der EU.

Substantielles hatte George W. Bush wohl auch nicht im Sinn, der seine Reise offenbar von vornherein als eine PR-Tour zur Verbesserung des desolaten Images der US-Außenpolitik nutzen wollte. Vor diesem Hintergrund dürfte seine Erklärung zu verstehen sein, daß auch er das Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba "gerne schließen" möchte; Bush schränkte aber gleich wieder ein, daß nicht klar sei, was mit den Gefangenen zu geschehen habe. Ähnlich vage ist wohl die Verpflichtung der USA in der Abschlußerklärung des Treffens zu bewerten, im Kampf gegen den Terrorismus die Menschenrechte zu achten. Dennoch wurde, so wußten die Nachrichtenagenturen zu berichten, dieses unverbindliche Zugeständnis seitens Bushs von europäischen Diplomaten bereits als "Erfolg" gewertet.

Auch diese Visite des US-Präsidenten muß im Zusammenhang mit seinen Bemühungen gesehen werden, deutlich stärker als in seiner ersten Amtszeit auf die Europäer einzugehen. Dies zeigt sich auch in seiner Haltung zum Atomprogramm des Iran, in dem Bush derzeit deutlich moderatere Töne anschlägt und sich damit auf europäische Positionen zubewegt. Dieses Thema stand auch beim Wiener Treffen wieder weit oben auf der Tagesordnung. Sowohl die EU als auch die USA wollen derzeit mit einem "Angebotspaket" erreichen, daß der Iran auf die Anreicherung von Uran und damit auf die technische Möglichkeit, Atomwaffen herzustellen, verzichtet.

Schulterschluß im Atom-Konflikt mit dem Iran

Der Iran hat aber bereits signalisiert, daß er eine Vorbedingung, die auf den Verzicht auf Urananreicherung hinausläuft, nicht hinzunehmen bereit ist. Bush hat den Iran zu einer schnelleren Reaktion im Hinblick auf das offerierte "Angebotspaket" gedrängt: "Die Iraner", so der US-Präsident, "sollten nicht so lange brauchen, um ein gutes Angebot zu bewerten." Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad hatte in einer Fernsehansprache eine Antwort bis zum 22. August angekündigt. Dieses "gute Angebot" ist eine Mischung aus Sanktionsdrohung und Kooperationsbereitschaft gegenüber dem Iran, mit dem das dortige Regime zum Einlenken gegenüber den Forderungen der fünf Vetomächte im Uno-Sicherheitsrat sowie Deutschlands gebracht werden soll.

Der Iran hat letzte Woche in Person des Vizevorsitzenden des Obersten Sicherheitsrates, Javad Vaeidi, postwendend reagiert und nochmals die iranische Position skizziert. Teheran sei nicht bereit, auf seine im Atomwaffensperrvertrag verbürgten Rechte zu verzichten; Verhandlungen könne es nur ohne Vorbedingungen, also auch nur ohne die verlangte Aussetzung der Urananreicherung geben. Vaeidi stellte erneut in Abrede, daß der Iran bestrebt sei, in den Besitz von Atomwaffen zu kommen. Der Besitz der Atombombe würde dazu führen, so zitierte die Financial Times Deutschland den iranischen Politiker, daß die USA die Nachbarn des Iran "unter einem militärischen Schirm" gegen das Land vereinigten; die Machtbalance in der Region wäre damit gestört. Zudem hätte Israel in diesem Fall eine Legitimation, auf Massenvernichtungswaffen zu setzen. Erneut brachte Vaeidi den Vorwurf der "technologischen Apartheid" ins Spiel, durch die der "reiche Norden" versuche, den "armen Süden" zu kontrollieren.

Ein weiteres Thema in Wien war die Sicherung der Energieversorgung. Hierzu erklärte EU-Kommissionspräsident José Manuel Durão Barroso, die beiden Wirtschaftsblöcke würden in Zukunft verstärkt für die Sicherheit der Energieversorgung zusammenarbeiten. Auch wenn Barroso in Abrede stellte, daß diese Vereinbarung gegen Rußland gerichtet sei, dürfte sie doch eine Reaktion auf die in der letzten Zeit seitens der USA und der EU geäußerten Zweifel gegenüber der Verläßlichkeit Rußlands als Gaslieferant sein. Zweifel an der Tragfähigkeit dieser Vereinbarung sind allerdings vor dem Hintergrund der Tatsache angebracht, daß die EU und die USA auf dem Energiesektor selbst zunehmend Konkurrenten sind. Nicht zuletzt deshalb dürften die USA in den letzten Wochen immer wieder Mißtrauen gegen den "Ressourcenstaat" Rußland gesät haben. Eine zu enge Kooperation der EU mit Rußland, die entsprechende Abhängigkeiten schafft, kann nicht im Sinne der US-Hegemonialpolitik sein.

Bewegung soll es auch in einem Bereich geben, bei dem Bush bisher eine weitgehende Intransigenz gezeigt hat, nämlich im Kampf gegen die Erderwärmung. Die USA scheinen mittlerweile zu einem Dialog über den Klimawandel bereit, der in Wien erneut angestoßen und im Herbst in Helsinki weiter vertieft werden soll. Auf konkrete Ziele wollte sich Bush aber nicht einlassen, so daß die Abschlußerklärung des EU-USA-Gipfels auch hier vage blieb.

"Wenn sich Völker erheben, steht Amerika an ihrer Seite"

Ein Reizthema bleibt auch nach dem Gipfel der Streit um die visapflichtige Einreise von Bürgern aus zehn EU-Mitgliedsstaaten in die USA. Hintergrund des Streits zwischen Washington und Brüssel ist, daß die USA Bürgern aus neun neuen EU-Mitgliedsstaaten und aus Griechenland derzeit die visafreie Einreise verweigern. Reisende aus den 14 alten EU-Ländern sowie Slowenien brauchen hingegen kein Visum. Die EU ist der Meinung, daß die USA Bürger aus allen EU-Staaten frei einreisen lassen müßten, wenn Washington die EU als politische Union wahrnehme.

Bush nutzte seine Wien-Visite für einen kurzen Abstecher nach Ungarn, wo er den Einsatz des Landes für die Demokratie würdigte und an den letztlich erfolglosen Freiheitskampf der Ungarn 1956 erinnerte. Er sei hier, so erklärte Bush in Budapest mit der ihm eigenen pathetischen Rhetorik, "um die Revolution von 1956 zu feiern". Ungarn sei ein Musterbeispiel für den gelungenen Übergang von der kommunistischen Kommandowirtschaft hin in eine freie Marktwirtschaft. "Wenn sich Völker für ihre Freiheit erheben, steht Amerika an ihrer Seite", erklärte Bush.

Dies gelte auch für den Irak, denn Premier Maliki sei "dem demokratischen Ideal verpflichtet, das 1956 und 1989 auch die ungarischen Patrioten geleitet hat". Der ungarische Veteranenverband Deport'56 forderte von Bush hingegen eine Entschuldigung. US-Präsident Dwight D. Eisenhower habe der Sowjetunion 1956 "praktisch grünes Licht" für die Niederschlagung des Volksaufstandes gegeben. Nicht ohne Grund: Washington und Moskau arbeiteten damals Hand in Hand an der Beilegung der Suez-Krise.

Foto: Bush (l.) mit den EU-Politikern Schüssel und Barroso: Sorge um Sicherheit der Energieversorgung


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