© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/06 07. Juli 2006

"Fernziel ist die Rückkehr zu Österreich"
Südtirol: Geringe Beteiligung am Devolutions-Referendum / "Rache" an der abgewählten italienischen Rechten / Mehrheit will weg von Italien
Beatrix Madl

In Südtirol war die Wahlbeteiligung beim Referendum Ende Juni über die italienische Verfassungsreform und die Einführung stärkerer föderativer Strukturen gering. Obwohl die Reform mehr Kompetenzen für die 15 italienischen Regionen vorsahen, gingen nur 38,4 Prozent der Südtiroler zur Wahlurne. Und von dieser kleinen Zahl lehnte eine deutliche Mehrheit die Vorschläge ab: 76,4 Prozent stimmten mit "Nein", nur 23,6 Prozent unterstützten die vor allem von der norditalienischen Lega Nord und Teilen der Forza Italia (FI) propagierte Devolution. Auch die Italiener erteilten den Reformvorschlägen eine Absage (JF 27/06).

"In Südtirol war die Devolution kein großes Thema", erklärt Pius Leitner, Obmann der Freiheitlichen, die miserable Wahlbeteiligung. Die regierende Südtiroler Volkspartei (SVP) habe stets betont, die Abstimmung sei nicht wichtig. "Wir haben auch keine Werbung gemacht", räumt der Freiheitlichen-Chef ein. Daß von den Wählern die große Mehrheit die Vorschläge ablehnte, erklärt Leitner ebenfalls im JF-Gespräch: "Das war eine zweite Abwahl Berlusconis." In der Tat wollte Italiens Ex-Premier Front gegen die aktuelle Mitte-Links-Koalition unter Amtsnachfolger Romano Prodi machen. "Mit dem 'Ja' wollen wir Prodi und seine Kommunisten bestrafen, deren Programm all die Reformen zunichte machen will, die wir in den letzten fünf Jahren zur Modernisierung des Landes verabschiedet haben", erklärte FI-Chef Berlusconi vor dem Referendum.

Traditionell auf Distanz zur italienischen Rechten

Aber die Mehrheit der Italiener und der Südtiroler wollte dem von ihm eingeschlagenen Weg partout nicht folgen und stimmte wieder einmal gegen ihn. Die Südtiroler gehen traditionell auf Distanz zur italienischen Rechten, was auf ihre Unterdrückung in der Zeit des Faschismus, die Italienisierungspolitik danach und das noch immer ungeklärte Verhältnis einiger italienischer Mitte-Rechts-Parteien zu Gewalt und Machtmißbrauch ab den sechziger Jahren zurückzuführen ist. Noch heutzutage polemisieren italienische Rechte gerne gegen die Autonomie in dem Land südlich des Brenners.

Allein die Freiheitlichen hatten in Südtirol die Unterstützung der Reformvorschläge empfohlen, "weil sie wenigstens etwas mehr Föderalismus bedeutet hätte, solange wir in diesem Staat bleiben". Konkret nannte der Parteichef das Vetorecht des Landtags gegen Entscheidungen, die die Autonomie ausgehöhlt hätten. "Eine solche Schutzklausel hatten wir noch nie", sagte Leitner. Die im Reformpaket vorgesehene Verkleinerung des Abgeordnetenhauses von 630 auf 518 Deputierte hätte zudem "20 Prozent Einsparungen" gebracht. Die Freiheitlichen versprachen sich von dem Konzept eine nicht nur schlankere, sondern auch jüngere Volksvertretung, da eine Herabsetzung des passiven Wahlalters geplant war. "Die Mitte-Links-Koalition hat es bislang versäumt, eine Alternative vorzustellen", mahnt der Freiheitlichen-Chef an.

Die Südtiroler Volkspartei (SVP), die zum Nein-Votum aufgerufen hatte, bemühte sich offenbar erfolgreich um eine Garantie der Prodi-Regierung, das Vetorecht für den Landtag dennoch einzuführen, wie es das abgelehnte Reformpaket vorsah. In der ebenfalls geplanten Stärkung des Regierungschefs bei gleichzeitiger Schwächung des Staatspräsidenten und Betonung des "nationalen Interesses" sah die SVP Nachteile für Minderheiten und Autonomien.

"Ziel des Schützenbundes ist die Einheit Tirols"

Die Grünen hielten das Paket für "uneinheitlich, unorganisch und in Teilen gar nicht umsetzbar", wie Landessprecher Franco Bernard anmerkte. Die Union für Südtirol von Eva Klotz sah in der Verfassungsreform sogar die Gefahr, daß mit Berufung auf das "nationale Interesse" Landtags- und Regionalgesetze angefochten und annulliert werden könnten. Angesichts eines Selbstbestimmungsvorschlags des ehemaligen christdemokratischen italienischen Staatspräsidenten Francesco Cossiga einige Wochen zuvor mögen den Südtirolern die föderativen Reformvorschläge auch wie Makulatur vorgekommen sein. Schließlich erntete die regierende SVP auch harsche Kritik von der Union für Südtirol und den Freiheitlichen, auf Cossiga nicht eingegangen zu sein. Eine aktuelle Umfrage gab den Südtiroler Oppositionsparteien recht: 55 Prozent der deutschsprachigen Südtiroler wollten weg von Italien, ergab eine repräsentative Erhebung des Innsbrucker Instituts Soffi im Auftrag des Südtiroler Heimatbundes, deren Ergebnisse vor einem Monat vorgestellt wurden.

Der Landeskommandant der Südtiroler Schützen, Paul Bacher, ein wichtiger Repräsentant des traditionellen Südtirols, sagte denn auch unlängst in einem Interview mit der Zeitung Dolomiten: "Ziel des Schützenbundes ist die Einheit Tirols, das Fernziel die Rückkehr zu Österreich."


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