© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/06 14. Juli 2006

Rätselhaftes Deutschland: Neue Quiz- und Spielshows liegen voll im Trend
Quote für den Homo ludens
Sven Lachhein

Ältere Jahrgänge werden sich noch mit Vergnügen an den bundesrepublikanischen Spaßvogel aus der großen Wirtschaftswunderzeit erinnern. Heinz Erhard, wer sonst trällerte eifrig vor begeistertem Publikum: "Was wär das Leben ohne Skat? Es wäre öde, blöd und fad ... ja, ja wir reizen, reizen, daß es nur so kracht, bis in die tiefe Nacht", und gab dem gebannten Zuschauer tiefsinnige Worträtsel auf! Ein Klassiker war das Gleichnis von der polyglotten Katze: "Nun meine Damen und Herren, das Wort polyglott dürfte ja allen bekannt sein, und eine Katze, nun ja, das ist so ein putziges schnurrendes Tierchen."

Das waren noch Zeiten, als man wahrhaftes Bildungsfernsehen zur besten Sendezeit genießen durfte. Doch dann kam ein wenig begabter, mit mäßig Witz beseelter Unterhaltungskünstler, der uns allen weismachen wollte, "das ganze Leben (sei) ein Quiz. Und wir sind nur die Kandidaten" - und spätestens von da an war's um uns geschehen. Laut Harald Schmidt erreichten wir die Höchststufe geistiger Massenverelendung durch unser heißgeliebtes "Unterschichtenfernsehen": die Gerichtsshows, Abschlußklassen, Frauentausche und selbstverständlich die sich immer stärkerer Beliebtheit erfreuenden Quizshows.

Die Rückkehr der Gameshow - mehr als eine Jauch-Grube

"Pessimist!" mag mancher einer denken, "gönnt uns die Millionen nicht!", wie einst sich Faust der Sorge zu erwehren hoffte und sie schalt: "Hör auf! so kommst Du mir nicht bei! Ich mag nicht solchen Unsinn hören. Fahr hin! die schlechte Litanei, sie könnte selbst den klügsten Mann betören."

Fast schon hätten wir sie im Weltmeisterschaftswahn aus den Augen verloren, die alltäglichen unverzichtbaren Ratesendungen, aber unsere Klinsmänner haben leider im Halbfinale den Zonk erwischt und von der WM-Liveübertragung direkt den Weg für Günter Jauch wieder freigemacht. Doch der bekommt spürbare Konkurrenz. Der Erfolgsdruck der Sendeanstalten ist hoch, Billigproduktionen liegen voll im Trend, und weil Barbara Salesch und Kollegen mit ihren inszenierten, meisterhaft gelösten Fällen von Alltagskriminalität langsam die Zuschauer ausgehen -schließlich sind die Fälle von häuslicher Gewalt im eigenen Heim weitaus spannender -, laufen in Kürze auf allen Kanälen wieder verstärkt Quiz- und Spielshows. Diese kosten den Produzenten wesentlich weniger, gaukeln dem Fern-Seher aber vor, durch erratenes fragwürdiges Wissen ebenfalls ein Stück vom Glück erheischen zu können.

Dabei wird natürlich kopiert und wiederaufgewärmt, was das Zeug hält. Mit neuer Bühnentechnik und Spezialeffekten werden alte Sendekonzepte ein wenig aufgepeppt. Um Originalität oder gar Ideenreichtum geht es dabei schon lange nicht mehr. Seit Anfang des Jahres läuft auf RTL 2 die Neuauflage von "Familienduell" unter dem Titel "5 gegen 5", wobei der aufmerksame Zuschauer fleißig mitraten kann. "Wir haben hundert Leute gefragt: Was spielt der bundesdeutsche Normalbürger am liebsten? - Ihre Antwort: Fünf gegen Willy?" - hervorragend, und gleich geht es weiter im "Quiztaxi", dem rasanten "Wer wird Millionär", nur in klein und unterwegs. Ebenfalls interessant ist auf Kabel 1 die "Spielarena" - ja, die Macher der Shows haben das alte Herrschaftsprinzip "Panem et circenses" wohl verstanden.

Wer Wissensquizsendungen konzipiert, der ist gebildet, und der weiß natürlich, daß seit Lessing nur der innere Antrieb zählt. Was einmal gut war, erzählt der weise Nathan dem ungläubigen Saladin; das ist, wenn es nachgemacht und nett in Worte gekleidet wird, auch in hundertmal hundert Jahren noch der Bringer. Es sei denn, der Konsument schwingt sich zum Richter auf und erteilt dem Ganzen eine Absage. Wobei wir dann aber wieder beim Jugendgericht wären. Und so schließt sich der Kreis unsäglichen Bildungsfernsehens dialektisch bis zum Jüngsten Gericht.

Der ewige Programmdirektor feixt: "Ich werde ruhn, Du aber wirst nicht ruhn", weil Du, lieber Zuschauer, von den vielen Werbeunterbrechungen zum Konsumenten geworden bist und fleißig die Arbeit der Sender finanzierst, bis Du alt und dreibeinig bist. Diese goldene Regel kannte man schon vor vielen tausend Jahren: Die zweifellos älteste überlieferte Quizshow stammt nämlich nicht aus den Brainpools westeuropäischer Wertegesellschaften, sondern aus Ägypten. Im Gegensatz zu heute waren die Regeln überschaubar, ebenso der Gewinn, Publikums- oder Telefonjoker waren noch nicht üblich. "Löse das Rätsel, welches vor Dir noch niemand gelöst hat, und ich werde Dich nicht essen!" Oder so ähnlich. Des Rätsels Lösung lag auf der Hand, der Kandidat verlor nicht sein Leben, die Moderatorin nicht das Gesicht.

Heute verlieren die besten Sendeplätze ihren Anspruch, und die Arbeit von Montagsmalern artet in "Extreme Activity" aus!


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