© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/06 21. Juli 2006

CD: Eichendorff
Sprachmagie
Ulrich Kriehn

Es war als hätt der Himmel/ die Erde still geküsst/ daß sie im Blütenschimmer/ von ihm nun träumen müßt." Nach einem Wort von Gottfried Benn ist dies die erste Strophe des "vielleicht schönsten deutschen Gedichtes." Der Verfasser dieses "Mondnacht" betitelten Gedichts, Joseph Freiherr von Eichendorff (1788-1857), gilt als der Dichter der deutschen Romantik, ein Mann, der - von Novalis und Goethe gleichermaßen beeinflußt - die Dinge zum Sprechen brachte und damit die Welt im Wort lebendig werden ließ.

Seine Novellen wie "Aus dem Leben eines Taugenichts" und zahlreiche seiner Gedichte und Lieder wurden Schullektüre - und damit oft in den öden Ablauf sattsam bekannter Interpretationen des Deutschunterrichts gepreßt. Aber Eichendorffs Sprachmagie entzieht sich der Schulweisheit, und ein lebendiges Zeichen für die ungebrochene Faszination seiner Lyrik zeigt sich in der schlicht "Eichendorff" benannten CD, an der mehrere Musiker um Uwe Nolte mitgewirkt haben. Daß die Künstler selbst Romantiker unserer Zeit sind, wird schon an ihren Künstlernamen deutlich: Orplid, das sagenumwobene Land aus einem Gedicht von Eduard Mörike, ist das künstlerische Pseudonym von Uwe Nolte (der selbst ausgefeilte und formvollendete Gedichte schreibt).

Die CD, die ein sehr ansprechend gestaltetes Beiheft mit den Texten, einen kurzen Abriß über Eichendorffs Leben und Wirken enthält, alles umrahmt von ausdrucksstarken Fotografien, wurde von Musikern unterschiedlichster Stilformen eingespielt. Dabei spannt sich der musikalische Bogen von volksliedhaften Weisen, begleitet von Gitarren und Streichern, bis hin zu elektronischen Experimenten, und ab und an hört man heraus, daß die Künstlerriege auch Zugänge zu Schwermetall und Hardrock hat.

Beeindruckend die düstere musikalische Umsetzung des Gedichtes "Zwielicht" durch die Gruppe "Barditus". Die Stimmung dieses eher untypischen Eichendorff- Gedichtes voller Bedrohung und Furcht ist hier meisterhaft eingefangen. Ulrike Hirsch interpretiert die "Mondnacht" mit klarer Stimme und einprägsamer Melodieführung, wobei die Frauenstimmen (Elisabeth Christiane Schönfeld, Claudia Arndt) alle stimmlich sicherer wirken als der Gesang etwa von "Waldteufel" oder "Karl Stülpner". Zwischendurch hört man auch ein Klavierstück nach einem Motiv Robert Schumanns, und der Einbau einer ungarischen Volksweise in ein Eichendorff-Lied wirkt nicht störend - im Gegenteil, die Vertonung von "In der Fremde" gewinnt dadurch an Tiefe und Überzeugung. Es ist schon faszinierend, wie sehr die Schönheit der Gedichte die Interpreten sichtlich bewegt hat und sie zu Kompositionen anregte.

Der einzige Mißklang ist die an Techno und Schranz orientierte Vertonung von "Der Abend" durch die Gruppe Edaphon. Hier zeigt sich, daß die romantischen und klassischen Gedichte nicht einfach kompatibel sind für jede Zeitgeistmusik. Lieder von solcher Innigkeit, Tiefe und gleichzeitiger Weltbejahung brauchen auch eine anspruchsvolle musikalische Umsetzung. Die sich an akustischer Musik orientierenden anderen Künstler überzeugen mehr.

Dennoch: Eine mehr als beeindruckende musikalische Umsetzung der Eichendorff-Texte und kulturgeschichtlich ein Zeichen, daß in Zeiten ödester Verflachung die Schätze der Vergangenheit wiederentdeckt und mit neuem Leben für die Jetzt-Zeit erfüllt werden. Man kann dem Werk nur weiteste Verbreitung wünschen.

Die CD ist zum Preis von 12 Euro bei www.noltex.de erhältlich, einer Internetseite, die für Literatur- und Musikfreunde gleichermaßen ergiebig ist, da - neben anderen Künstlern - Uwe Nolte dort nicht nur als Texter und Musiker/Arrangeur, sondern auch als Maler und Fotograf präsent ist.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen