© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/06 28. Juli / 04. August 2006

Erhebliche Unterschiede
Kriminalität: Bund Deutscher Kriminalbeamter fordert eine nach Herkunftsländern differenzierte Statistik für Straftäter
Josef Hämmerling

Auf scharfe Kritik des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) ist die Praxis der Behörden gestoßen, in den Kriminalstatistiken nur noch zwischen Deutschen und Ausländern zu unterscheiden, aber nicht die eingebürgerten Ausländer nach Herkunftsregionen zu betrachten.

Dieses führt nach Angaben des stellvertretenden BDK-Bundesvorsitzenden Rolf Rainer Jaeger dazu, daß eine erfolgreiche Verbrechensverhütungspolitik seit Jahren nicht mehr möglich ist. Erkenntnisse zu Herkunftsregionen, Erziehungs- und Sozialisierungsprozessen in den einzelnen Regionen, Nationen oder Religionen seien aber von entscheidender Bedeutung, um in einer "immer multikulturelleren Gesellschaft" wirksam Kriminalprävention und -repression betreiben zu können, sagte Jaeger.

Besonders der Verzicht auf die Erhebung von Herkunftsländern von Straftätern mit deutschem Paß beeinträchtige die Qualität der Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erheblich. So bestehen Jaeger zufolge aus kriminalpolitischer, kriminalistischer und kriminologischer Sicht teilweise sehr erhebliche Unterschiede zwischen hier geborenen und hier aufgewachsenen Herkunftsdeutschen, Auslandsdeutschen mit langjährigen Aufenthaltszeiten im Ausland sowie Rußlanddeutschen, Eingebürgerten mit anderen Nationalitäten und nichtdeutschen Tatverdächtigen.

Dies ergebe sich unter anderem auch dadurch, daß Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsregionen häufig unter völlig unvergleichbaren Lebensbedingungen aufwachsen. Zudem seien auch ihre Erziehungs- und Sozialisationsprozesse miteinander nicht vergleichbar. Insbesondere die religiöse Prägung der Menschen sei bedeutsam für ihr weiteres Leben und Verhalten, was sich aktuell am Phänomen des islamischen Terrorismus zeige.

In der Praxis habe sich gezeigt, so Jae-ger, daß "bestimmte Kriminalitätsformen nur bei bestimmten Bevölkerungsgruppen feststellbar" seien. So sei der Taschendiebstahl, ähnlich wie der Wohnungseinbruch, Betrügereien mit eingefärbtem und verwaschenem Geld, wesentlich bestimmten ethnischen Gruppierungen zuzuordnen. Und auch auf der Opferseite würden Bevölkerungsgruppen mit religiösen und anderen Vorlieben sowie Menschen mit bestimmter Sozialisation bevorzugt.

Insofern sei es wichtig, in der Kriminalstatistik nicht nur zwischen Deutschen und Ausländern zu unterscheiden, sondern auch hinsichtlich der Herkunftsländer der von eingedeutschten Ausländern begangenen Straftaten. Erst dadurch sei es möglich, zu erkennen, ob Menschen aus anderen Herkunftsregionen in bestimmten Deliktsbereichen besonders auffällig sind und wo andererseits die ursprünglich deutsche Wohnbevölkerung überrepräsentiert ist. Eine derart gegliederte Statistik würde nach Ansicht Jaegers wichtige Erkenntnisse sowohl für Ermittlungen gegen diese Tätergruppen als auch für sinnvolle Vorbeugungsmaßnahmen geben. Dadurch wäre es der Polizei und anderen staatlichen Organisationen möglich, "bei fehlgeleiteten Sozialisationsprozessen in manchen Bevölkerungsgruppen, die nahezu zwingend in Kriminalität zu führen scheinen, frühzeitig zu intervenieren, Kriminalität zu verhüten und Unbelehrbare unnachgiebig und erfolgreich zu bekämpfen".

Zudem führt die jetzige Praxis nach Ansicht Jaegers zu völlig falschen Erkenntnissen: Denn "je größer die Zahl der eingebürgerten Deutschen ist, um so größer wird die Zahl der kriminalstatistisch erfaßten deutschen Tatverdächtigen". Es sei dann nämlich "nicht mehr erkennbar, ob ein eingebürgerter Deutscher oder ein hier schon geborener Deutscher Straftaten begeht".


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