© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/06 28. Juli / 04. August 2006

I just wanna feel - so real: Knebelverträge für deutsche Journalisten
Sie dürfen draußen bleiben!
Ronald Gläser

Angelina Jolie und Brad Pitt haben ihr erstes gemeinsames Kind in Namibia zur Welt gebracht, fernab von den Reiserouten des internationalen Jet-sets. Hier konnte Töchterchen Shiloh Nouvel ohne nervige Paparazzi geboren werden. Jedenfalls ohne solche Paparazzi, die nicht für die Bilder zu zahlen bereit waren. Das Projekt wurde "generalstabsmäßig geplant", so der Spiegel. Das Unterfangen war ein Geschäft mit Nehmen und Geben: Die ehemalige deutsche Kolonie bekam positive Gratis-PR, dafür hinderte sie Paparazzi an der Einreise. Es gab mehrere Fotografen, die trotzdem einzureisen versuchten. Sie wurden festgenommen, ihre Filme beschlagnahmt. Danach präsentierte die milliardenschwere US-Hochglanzillustrierte People ihren Lesern exklusiv die ersten Bilder vom Töchterchen des Hollywood-Traumpaars. Geschätzte Kosten: vier Millionen Dollar. Bei einer Geheimkonferenz wurde das Top-secret-Material auch deutschen Blättern präsentiert. Bunte und Gala zahlten nach Brancheninformationen Hunderttausende dafür.

Wie weit darf die Kumpanei von Klatschpresse und Stars gehen? Und was ist von der Kumpanei des Staates zu halten, der die Pressefreiheit unterdrückt und nicht nur in Namibia, sondern auch in der westlichen Welt mit Skandalurteilen Journalisten zu Hofberichterstattern zu degradieren versucht? Meistens wird die Presse aber von den Stars selbst gegängelt. So ist es üblich geworden, daß Fotografen bei Konzerten nur bei den ersten drei Liedern zugelassen sind. Oft dürfen sie ihren Blitz nicht benutzen. Und das angesichts eines Publikums, das mit immer besseren Fotohandys ausgerüstet ist, wie hinterher ein Blick auf private Fanseiten im Internet beweist.

Im kommerziellen Betrieb dagegen gelten die Gesetze des Marktes: Ist die Nachfrage hoch und das Angebot niedrig, so steigt der Preis. Wenn am Donnerstag und Freitag Robbie Williams im Rahmen seiner aktuellen Welt-Tournee in Berlin auftritt, dann darf er nur noch aus einem bestimmten Winkel fotografiert werden. Noch schlimmer: Fotografen müssen die Rechte an das Williams-Management nach der ersten und einzigen Verwendung abtreten. Sonst dürfen sie nicht rein. Für Bildagenturen kommt das faktisch einem Berufsverbot gleich, denn: Was soll ein Fotograf mit Bildern, an denen er keine Rechte hat, oder wenn er gar nicht erst fotografieren darf ?

Die großen deutschen Nachrichten-agenturen boykottieren deshalb Williams Auftritte. Betroffene Lokalzeitungen berichten nicht oder erscheinen wie die Dresdner Neuesten Nachrichten: Auf Seite 1 bleibt der entsprechende Platz für Bild und Beitrag über das Williams-Konzert einfach leer. Der SWR hat sich dem Boykott angeschlossen, auch der Deutsche Journalistenverband ist mit von der Partie: "Williams und seine Manager kommen anscheinend nicht damit klar, daß die Medien nicht nach ihrer Pfeife tanzen wollen. Wir fordern alle Medien auf, einem Star, der die Pressefreiheit dermaßen einschränkt, keine Plattform zu bieten und gemeinsam mit den Agenturen auf eine Berichterstattung über Williams-Konzerte zu verzichten."

Das Williams-Management ist zerknirscht ob solch schlechter Presse. Um so härter kämpft es für den Erfolg der Tour. Die Werbe-Plakate für den Auftritt im Berliner Olympiastadion wurden unlängst überklebt: Erst mit "Es gibt noch Karten", dann mit "Wenige Karten noch verfügbar". In der letzten Woche ist dem Williams-Management dann doch noch ein Paukenschlag gelungen: Es konnte Springers Boulevardblatt B.Z. für Erste-Klasse-Werbung einspannen. Während der G8-Gipfel tagte und Libanesen wie Israelis die Bomben um die Ohren flogen, erschien die B.Z. mit einer Titelgeschichte, die lautete "Mit der B.Z. gratis zu Robbie Williams". Das Blatt verlost ständig irgendwelche Eintrittskarten. Daß es jetzt mit einem Radiosender insgesamt fünfzig Karten verlost, ist wahrlich keine Attraktion. Aber die Ergebenheitsbekundung ist ein Durchbrechen der Boykottfront, die die meisten anderen Medien in Deutschland aufgebaut haben. Ob die Gegenleistung in exklusiven Aufnahmen besteht?

Bessere Bilder könnten derweil die 25 B.Z.-Gewinner machen. Zum "coolen Fanpackage" gehört auch ein Fotohandy, von dem der Hersteller folgendes behauptet: "Das W300i ist jederzeit bereit, besondere Momente einzufangen. Mit dem W300i können Sie Bilder und Videoclips an andere Handys oder E-Mail-Konten senden." Bilder von einem Robbie Williams-Konzert zum Beispiel. 

Trotzdem sind schwarze Bretter und das Internet voll mit Angeboten wie "Verkaufe Karten für Robbie-Williams-Konzert in Berlin" - ein Indiz dafür, daß sich die professionellen Händler verkalkuliert haben und jetzt auf zu großen Kartenkontingenten sitzen, die sie unters Volk zu bringen versuchen. WM-Tickets waren beliebter als Robbie!


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