© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/06 11. August 2006

Aufgeschnappt
Geschichten aus der Gruft
Matthias Bäkermann

Nicht jeder Erinnerungsort in der Hauptstadt ist so präsent wie das Holocaust-Mahnmal. Weitgehend unbeachtet, weil im Verborgenen des Untergeschosses am Osteingang des Reichstags untergebracht, gibt es das "Archiv der Deutschen Abgeordneten", eine im Rahmen der "Richtlinie K7 des Bundes für die Durchführung von Bundesbauten" (RBBau), kurz "Kunst am Bau", beauftragte Arbeit des französischen Künstlers Christian Boltanski. Es besteht aus 5.000 Metallkästen, die in bis zur Kellerdecke gehenden Blöcken angeordnet sind. Jeder der Kästen trägt den Namen eines zwischen 1919 und 1999 in den Reichstag bzw. Bonner Bundestag gewählten Abgeordneten - sogar jener von NSDAP und KPD. Eine gesonderte schwarze Box stellt symbolisch die NS-Diktatur dar. Kästen der Abgeordneten, die zwischen 1933 und 1945 emigrieren mußten oder gar umkamen, werden mit einen schwarzen Streifen und dem Vermerk "Opfer des NS" markiert.

Immer wieder kommt es vor, daß an diesem nur Autorisierten zugänglichen Ort Schilder entfernt werden, vermehrt jene von "unliebsamen" - oft rechten - Abgeordneten. Noch infamer allerdings dürfte ein jüngst angebrachtes Schild am Kasten des früheren CDU-Parlamentariers Martin Hohmann (MdB 1998 bis 2005) aufgestoßen sein. Dort prangte die Aufschrift "Opfer des Rufmords". Ebenso empörte wie engagierte Mitarbeiter entfernten diesen Affront Gott sei Dank sofort nach seiner Entdeckung.


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