© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/06 11. August 2006

Abtreibung als Massengeschäft
Urteil: Deutschlands prominentester Abtreibungsarzt scheitert vor Gericht mit dem Anliegen, Lebensschützer von seiner Praxis fernzuhalten
Claudia Hansen

Friedrich Stapf bezeichnet sich als Arzt. In seiner Praxis im Münchner Westend werden pro Jahr etwa 4.000 ungeborene Kinder abgetrieben. Seit Mitte der siebziger Jahren ist Stapf im Geschäft und hat in dieser Zeit wohl einen zweifelhaften Rekord aufgestellt: Für weit über 100.000 Abtreibungen dürfte er mittlerweile verantwortlich zeichnen. Er verdient an dem massenhaften Abbruch von Schwangerschaften ein kleines Vermögen. 1998 konnte er vor dem Bundesverfassungsgericht ein bayerisches Gesetz zu Fall bringen, das den Anteil der Einkünfte eines Arztes aus Abtreibungen auf 25 Prozent beschränken wollte. Damit sollte reinen Abtreibungsärzten wie Stapf in München oder Andreas Freudemann in Nürnberg das Handwerk gelegt werden, wogegen beide erfolgreich vorgingen.

Regelmäßige Mahnwachen vor der Klinik

Nun aber ist Stapf mit einer Klage gescheitert. Er wollte einer Gruppe christlicher Lebensschützer verbieten lassen, in der Umgebung seiner Klinik zu beten und Schwangere anzusprechen. Seit sechs Jahren sind ehrenamtliche Helfer des Vereins "Gottes kostbare Kinder" um den Kinderliedermacher Wolfgang Hering sowie Helfer des "Lebenszentrums" unter Leitung von Ursula Metsch vor der Abtreibungsambulanz im Einsatz. Sie halten regelmäßig Mahnwachen ab. Vor allem aber suchen sie den Kontakt zu abtreibungswilligen Frauen auf dem Weg zu Stapfs Klinik und bieten diesen Hilfe an. Sogar eine kleine "Notfallwohnung" unterhält der Verein Lebenszentrum, der sich allein von Spenden finanziert, für bedürftige Frauen. Mehr als 300 Schwangere haben die Aktivisten schon davon überzeugt, den Termin bei Dr. Stapf in letzter Minute abzusagen und sich für das Leben ihres ungeborenen Kindes zu entscheiden.

Die Präsenz dieser "Gehsteigberater" empfand Stapf als inakzeptabel. "Patienten kommen nach den Gesprächen auf der Straße oft weinend, verwirrt und wütend in die Klinik", beschwerte er sich. Ein "regelrechter Spießrutenlauf" sei es für die abtreibungswilligen Frauen, um zu seiner Praxis zu gelangen, behauptete er. Die neunstündige Verhandlung und Beweisaufnahme vor dem Münchner Landgericht ergab aber ein anderes Bild. Die christlichen Aktivi-sten träten den Frauen gegenüber höflich, freundlich und respektvoll auf, bestätigten mehrere Zeugen, darunter auch Polizisten in Zivil, die das Geschehen zwei Wochen beobachtet hatte. Selbst gegen Stapf, der Abtreibungen wie am Fließband vornimmt, hege sie keinen Groll, betonte Ursula Metsch, die Leiterin des Lebenszentrums. "Wir beten schlicht für die Umkehr der Herzen aller Beteiligten."

Der Vorsitzende Richter Nikolaus Stackmann wies dann auch die Klage gegen den Verein Lebenszentrum und Metsch persönlich ab (Aktenzeichen: 28 O 5186/06). In der Ende Juli veröffentlichten schriftlichen Urteilsbegründung heißt es, daß weder Stapfs Persönlichkeitsrechte verletzt seien noch das Vertrauensverhältnis zwischen dem Arzt und Patientinnen zerstört werde. Das Recht auf freie Berufsausübung des auf Schwangerschaftsabbrüche spezialisierten Mediziners werde durch die Tätigkeit der Helfer des Lebenszentrums nicht beeinträchtigt. Deren Aktivität falle unter die allgemeine Handlungsfreiheit. Mit seiner Forderung nach einer Art "Bannmeile" um die Abtreibungspraxis sowie nach Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 Euro gegen die Lebensrechtler ist Stapf damit in erster Instanz gescheitert. Er hat angekündigt, in Berufung zu gehen.

In der bayerischen Landeshauptstadt hat das Urteil hohe Wellen geschlagen. Die linke Abendzeitung brachte auf ihrer Titelseite die Schlagzeile: "Wer abtreibt, darf gemobbt werden". Ein Foto zeigte Stapf in einem hellgemusterten Hemd im OP-Saal seiner Praxis, die Hand auf die Beinstütze eines gynäkologischen Stuhls gelegt, wo er die Tötung der ungeborenen Kinder vornimmt. Gegenüber der Zeitschrift Woman sagte er vor zwei Jahren, "der Job" sei für ihn "eine Herausforderung". Er wolle, daß die Frauen "mit erhobenem Kopf" aus seiner Praxis herausgingen. Kritiker verweisen allerdings auf medizinische Studien zu den gesundheitlichen und besonders psychischen Schäden der betroffenen Frauen. Wer am sogenannten Post-Abortion-Syndrom leidet, geht selten "mit erhobenem Kopf" umher.

Während der Abtreibungsarzt Stapf klagt, die Berater und Beter vor seiner Praxis würden ihn ruinieren, freuen sich Abtreibungsgegner über das Urteil: Es sei ein "bedeutsamer Teilerfolg für den Lebensschutz", meinte Stefan Brandmaier, der Anwalt des Münchner Lebenszentrums. Und der Bundesverband Lebensrecht (BVL) übernahm einen Kommentar der Evangelischen Nachrichtenagentur idea, der von einem "wichtigen Etappensieg" sprach, aber auch kritisch anmerkte: "Man darf sich nichts vormachen. Für die Ungeborenen in diesem Land hat sich durch das Urteil nichts gebessert. Weiterhin werden jährlich weit über 200.000 Babys von Ärzten wie Friedrich Stapf getötet." Nur etwa jede hundertste seiner Patientinnen könne durch die Gehsteigberatung für das Austragen ihres Kindes gewonnen werden.

Foto: Abtreibungsärzte Friedrich Stapf (l.) und Andreas Freudemann 1998 vor dem Bundesverfassungsgericht: Vermögen verdient


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