© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/06 11. August 2006

Der höchste Belastungssatz in Europa
Finanzpolitik: Gewerbe- und Körperschaftssteuer sollen durch eine Unternehmenssteuer ersetzt werden
Klaus Peter Krause

Immerhin darüber sind sich Politik, Fachwelt und Wissenschaft weitgehend einig: Deutschland kann nur dann im internationalen Standortwettbewerb um Unternehmen und Arbeitsplätze mithalten, wenn es sich zu einer durchgreifenden Reform der Unternehmensbesteuerung aufrafft. Eine solche Reform muß und soll auch die Gewerbesteuer einbeziehen. Denn wie die Körperschaftssteuer ist auch die Gewerbesteuer eine Unternehmenssteuer.

Fällig ist das lange, denn fundierte Kritik an Konzept und Ausgestaltung der Gewerbesteuer gibt es seit über hundert Jahren. Ebenso das Verlangen, sie abzuschaffen. Allerdings nicht, um den Gemeinden die Einnahmen aus dieser Steuer zu nehmen, sondern ihnen durch andere Besteuerung eine ebenfalls eigene und vor allem stetigere Einnahmequelle zu verschaffen, die zudem in die übrige Unternehmensbesteuerung systemkonsequent eingepaßt ist.

Eingeführt und gerechtfertigt wurde die Gewerbesteuer einstmals als Gegenleistung für kommunale Infrastruktur. Weil vorrangig die Gewerbebetriebe mit ihren Beschäftigten die Lasten dafür verursacht haben sollten und von diesen Leistungen profitierten, hat man sie pauschal über die Steuer an der Kostendeckung beteiligt. Diese Rechtfertigung war aber schon von Anfang an falsch. Nutznießer und Kostenverursacher kommunaler Einrichtungen sind ebenso alle anderen Einwohner der Gemeinde.

Was eine Gemeinde an Leistungen für ihre Bürger aufbringt und an Lasten dafür trägt, muß zweckmäßigerweise anders finanziert werden. Der Nestor der Steuerrechtswissenschaft, Klaus Tipke, hält es für geboten, die Gewerbe- wie auch die Körperschaftssteuer abzuschaffen und an ihre Stelle eine allgemeine, einheitliche Unternehmenssteuer zu setzen. Eine solche Unternehmenssteuer halten - mit Unterschieden - auch die Entwürfe der "Kommission Steuergesetzbuch" der Stiftung Marktwirtschaft, des Sachverständigenrates, der Bertelsmann-Stiftung und des "Kronberger Kreises" für geboten.

Damit macht die Bundesregierung jetzt immerhin einen Anfang. In ihren "Eckpunkten" vom 12. Juli sieht sie vor, die bisherige Körperschafts- und Gewerbesteuer durch eine föderale und eine kommunale Unternehmenssteuer zu ersetzen, und beide Steuern sollen eine gemeinsame, einheitliche Bemessungsgrundlage bekommen. Diese Grundlage müßte der Gewinn sein und nichts weiter. Aber Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) möchte sie verbreitern und auch Schuldzinsen, Miet- und Pachtzahlungen sowie Leasing- und Lizenzentgelte, also Kosten, dieser Steuer unterwerfen. Aber das wäre ein tiefgreifender Verstoß gegen die Steuersystematik. Außerdem liefe es bei Verlusten oder nur geringen Gewinnen auf eine Substanzbesteuerung hinaus.

Wenn die Regierung den Steuersatz senkt, aber die Bemessungsgrundlage erweitert, dann verringert oder kompensiert sie, was durch den gesenkten Steuersatz an Steuereinnahmen ausfällt. Optisch macht sich ein kleinerer Steuersatz schön, aber durch die zugleich vergrößerte Bemessungsgrundlage ist seine Schönheit nur eine äußerliche mit geringerem innerem Wert.

Steinbrück gibt daher lieber vor, mit der Einbeziehung verhindern zu wollen, daß Unternehmen von Tochterbetrieben im Ausland Kredite aufnehmen und daß sie diese Töchter als Vermieter, Verpächter und Leasing- oder Lizenzgeber benutzen. Dann nämlich fallen die Kosten dafür in Deutschland an und die Gewinne bei der Auslandstochter. Das macht Sinn, wenn Gewinne dort niedriger als in Deutschland besteuert werden und kommt durchaus vor, aber wohl nicht in dem vom Bundesfinanzminister unterstellten Umfang. Er unterschlägt dabei, daß Kredite, Pachten und Lizenzen im Regelfall ganz normal genutzt werden und dann ihren Grund nicht in der Steuervermeidung haben.

Dabei könnten Steinbrück und der Gesetzgeber befürchtete Gewinnverlagerungen ganz leicht vermeiden: durch Verringern der Steuerlast. Dann würden wegen zu hoher Steuern auch keine oder weniger Arbeitsplätze ins Ausland verlagert, und der deutsche Fiskus könnte sich sogar höherer Einnahmen aus der Einkommensteuer erfreuen und die gesetzlichen Sozialversicherungsträger höherer Zuflüsse in die Alters-, Kranken- und Pflegeversicherung.

Die Steuerlast zu verringern, ist als zweiter "Eckpunkt" ohnehin vorgesehen, jedenfalls die der Kapitalgesellschaften (AG, GmbH). Deren nominale steuerliche Gesamtbelastung will die Regierung von derzeit knapp 39 Prozent der Bemessungsgrundlage auf etwas mehr als 29 Prozent senken. Diese Gesamtbelastung enthält die Körperschaftssteuer (derzeit 25 Prozent), den Solidaritätszuschlag und die Gewerbesteuer. Es ist der höchste Belastungssatz in Europa. Die Körperschaftssteuer (künftig föderale Unternehmenssteuer genannt) soll daher auf 12,5 Prozent halbiert werden.

Dagegen sieht die Regierung für Personengesellschaften und Einzelunternehmen - immerhin vier Fünftel aller hiesigen Firmen - "grundsätzlich keinen Bedarf an weiterer Steuerentlastung". Aber von der Reform würden auch die der Einkommensteuer unterliegenden Personenunternehmen profitieren. Man prüfe, ob dies am besten durch eine Investitionsrücklage oder durch eine generell geringere Steuer auf einbehaltene Gewinne geschehen könne. Damit deutet sich an, daß von der Gewerbesteuer nur der Name abgeschafft und in "kommunale Unternehmenssteuer" geändert wird.

Andere Änderungen sind bei ihr nicht vorgesehen - bis auf die eine wesentliche: daß föderale und kommunale Steuer eine gemeinsame, einheitliche Bemessungsgrundlage erhalten sollen - wie immer die dann aussieht. Auf der Grundlage dieser Eckpunkte soll Steinbrücks Ministerium "die weiteren Arbeiten vorantreiben und dem Bundeskabinett bis zum Herbst darüber berichten". Bis dahin wird die Diskussion munter weitergehen und das nachrichtliche Sommerloch füllen helfen. Das Inkrafttreten der Unternehmensteuerreform ist für Januar 2008 vorgesehen.


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