© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/06 18. August 2006

Unfairer Wettbewerb
Streit um Doc Morris: Die deutsche Politik läßt die deutschen Apotheker im Regen stehen
Bernd-Thomas Ramb

Das Urteil des Saarbrücker Landgerichts zugunsten des niederländischen Medikamentenversandunternehmens Doc Morris hat die deutsche Apothekergemeinschaft geschockt: Doc Morris betreibt seine saarländische Niederlassung ohne Verstoß gegen die deutsche Wettbewerbsordnung, die im Falle der Apotheken eine Besonderheit aufweist. Apotheken dürfen in Deutschland kurz gesagt nur Apotheker betreiben, und zwar jeweils nur eine. Filialbetriebe sind untersagt. Im Falle Doc Morris ist aber die Saarbrücker Apotheke ein reiner Filialbetrieb. Mehr noch, der Betreiber ist kein Apotheker, sondern ein niederländischer Internet-Arzneihändler. Der heißt noch nicht einmal "Doc Morris", sondern Ralf Däinghaus, und er handelt nicht als Einzelkaufmann, sondern als Chef einer Kapitalgesellschaft.

Kein Wunder also, daß sich die klagende Saarbrücker Apothekerin sehr sicher war, daß dies nicht mit dem deutschen Apothekengesetz vereinbar ist und daher einen Verstoß gegen die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen besteht. Die Richter allerdings gaben dem EU-Recht zur Niederlassungsfreiheit größere Bedeutung. Entscheidend war, daß Doc Morris eine niederländische Firma ist, der aus EU-Sicht keine Steine in den Weg gelegt werden dürfen.

Wieder einmal wurde damit das nationale Recht durch EU-Bestimmungen gebrochen. Für die deutschen Apotheker ist diese Entscheidung um so unverständlicher, als damit von der eigentlichen Problematik abgelenkt wird. Ein niederländischer Apotheker als persönlicher Betreiber einer einzelnen Apotheke in Deutschland wäre ja akzeptabel, aber eben keine rein juristische Kapitalgesellschaft.

Die deutschen Apotheker fürchten zu Recht, daß damit einem rigiden Preisverfall bei Arzneimitteln Tür und Tor geöffnet würde. Rezeptfreie Medikamente könnten damit bald im Supermarkt erworben werden - zu deutlich niedrigeren Preise, wie sie im Ausland schon jetzt gerade bei Markenprodukten häufig vorzufinden sind. Bei rezeptfreien Produkten sind auch die deutschen Apotheken nicht gezwungen, die Preisempfehlungen der Pharmaindustrie einzuhalten.

Deutsche Gesetze im Widerspruch zu EU-Regeln

Teilweise werden bereits jetzt in den Apotheken unterschiedliche Preise für die gleichen Arzneimittel verlangt. Der Spielraum für Preisabschläge ist aber beschränkt. Eine ausgebildete Apothekenfachkraft kostet eben mehr als eine Supermarktverkäuferin. Allerdings erhält der Apothekenkunde im Bedarfsfall auch eine fachkundige Beratung. Im Supermarkt ist der Kunde auf eigenes Wissen angewiesen.

Für rezeptpflichtige Medikamente besteht im Prinzip "Waffengleichheit". Die Preise sind für die deutschen Apotheken fest vorgeschrieben. Eine Wahlfreiheit besteht lediglich bei den Ärzten, ob sie die teuren Originalpräparate oder preiswertere Generika, also lizenzierte Nachahmungen der Originale, verschreiben. Ausländische oder Internet-Apotheken können allerdings häufig die gleichen rezeptpflichtigen Produkte erheblich günstiger anbieten - oder sogar die in Deutschland rezeptpflichtigen Medikamente rezeptfrei verkaufen. Für Patienten mit wiederholt verschriebenen Medikamentenbedarf und deutlicher Beteiligung an den Kosten schwinden die Argumente, warum sie weiterhin in teuren deutschen Apotheken einkaufen sollen.

Der unverhohlene Jubel zahlreicher Politiker über die juristische Niederlage der saarländischen Apothekerin, angefangen vom Saarländischen Gesundheitsminister Josef Hecken (CDU) ("rechtlich absolut korrekt und politisch der richtige Weg") bis zum Bundesvorsitzenden der Grünen, Reinhard Bütikofer, mit seiner Aufforderung, "die Apothekerprivilegien insgesamt unter die Lupe zu nehmen", hinterläßt einen faden Beigeschmack. Verständlich ist das allgemeine Begehren, die Krankheitskosten insgesamt zu reduzieren. Ob aber das Urteil von Saarbrücken, das noch nicht rechtskräftig ist und mit Sicherheit zu einer Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht führen wird, dazu beiträgt, muß bezweifelt werden. Noch hat die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), die Doc Morris seit Unternehmensbeginn mit juristischen Verfahren eindeckt und überwiegend Siege verzeichnen konnte, die Waffen nicht gestreckt.

Verlogen wirkt die Freude der deutschen Politiker im Hinblick auf die von ihnen zu verantwortende deutsche Apothekengesetzgebung, die nun einmal im Widerspruch zu den EU-Bestimmungen steht, aber nicht entsprechend angepaßt wird. Aus Feigheit vor den heimischen Apothekenlobbyisten wird der Rechtskampf den EU-konformen deutschen Gerichten und demnächst wohl dem Europäischen Gerichtshof überlassen. Von politischem Gestaltungswillen kann da keine Rede mehr sein.


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