© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/06 18. August 2006

Müll im Sommerloch
Gelber Sack: Streit um einen deutschen Exportschlager
Volker Kempf

Das Gute am Müll ist, daß jeder mitreden kann, weil jeder seine eigenen Erfahrungen mit Sortieren, Trennen und Sammeln gemacht hat. Die braune Biotonne ist umstritten, nicht nur bei denen, die aus eigener Erfahrung mitreden, sondern auch bei Experten - der Hygiene und Geruchsbelästigung wegen. Der Gelbe Sack, in den reinkommt, was an Verpackungsmaterial mit dem Grünen Punkt versehen ist, ist aber ein Exportschlager: Das zugrunde liegende Duale System Deutschland (DSD) ist in über einem Dutzend Staaten übernommen worden.

Solange nicht noch verschiedene Kunststoffarten getrennt gesammelt werden müssen, ist der Aufwand auch für die betroffenen Haushalte überschaubar. Restmüll kommt in eine eigene Tonne. Ingenieure arbeiten aber daran, den Restmüll und den Verpackungsmüll maschinell zu trennen, so daß der Gelbe Sack überflüssig würde. Die Bild war schnell dabei, eine Sensationsmeldung daraus zu machen, daß der Gelbe Sack abgeschafft werden solle. Das war am 21. Juli. Das Umweltbundesamt (UBA) dementierte postwendend, das sei alles Zukunftsmusik. Die FAZ aber, der die Abschaffung des Gelben Sacks nicht schnell genug gehen kann, gibt in ihrem Leitartikel vom 8. August zum besten: "Der Gelbe Sack gehört in die Tonne".

Ganz so schlecht kann das Duale System mit seinem Gelben Sack aber nicht sein, wenn neben dem UBA auch das Freiburger Öko-Institut in der Studie "Keine Umweltbelastung durch den Grünen Punkt" lobend von einem sinnvollen Beitrag zur Ressourcenschonung spricht. Der Grüne Punkt sei verursacherbezogen, koste die Unternehmen nämlich Geld und trage so zur Abfallvermeidung bei.

In Holland dagegen, wo kein vergleichbares System besteht, nahm das Verpackungsmüllaufkommen angeblich deutlich zu. Durch das System mit dem Grünen Punkt würde mehr Kohlendioxidausstoß vermieden, als wenn man den Betrag in die Solarenergie zur alternativen Stromerzeugung investiert hätte.

Der Gelbe Sack ist bei Umweltschützern angekommen, bei den Bürgern auch, da wollen ihn Bild und FAZ am liebsten sofort wieder abgeschafft sehen. Was kommt dann? Ein Millionenheer neuer Mülltonnen? Ist das DSD so unausgereift, daß man damit die Sommerlöcher stopfen muß? Oder stöhnt die Wirtschaft unter den Kosten, die sie am liebsten an die Müllgebührenzahler abwälzen möchte?

Der Gelbe Sack scheint ein Fall für die Diskursanalyse geworden zu sein. Grund zur Hektik gibt es jedenfalls nicht.


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