© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/06 25. August 2006

Ein Schiff wird kommen
Außenpolitik: Umfang der Beteiligung an Libanon-Friedenstruppe umstritten / Fregatte oder Versorger? / Druck aus Paris
Paul Rosen

Nach dem Kongo-Einsatz nun der Libanon. Auch wenn die Große Koalition noch so herumdruckst, scheint der Weg für einen Einsatz der Bundeswehr in Nahost längst beschritten worden zu sein. Am Anfang stehen gute Vorsätze wie von Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Wir schicken unsere Soldaten nicht in ungewisse Abenteuer", sagte die Kanzlerin. Am Ende könnten sie genau dort landen - mit vielleicht tödlichem Ausgang.

Deutschland tut sich nach wie vor schwer mit Einsätzen seiner Bundeswehr im Ausland, die 1991 mit einer Sanitätskomponente in Kambodscha begannen, sich mit Versorgungseinheiten in Somalia fortsetzten und ihren Höhepunkt in der Beteiligung an den Luftangriffen auf Serbien fanden. Von richtigen Kampfeinsätzen ist die Bundeswehr noch ein Stück weit entfernt, auch wenn das Afghanistan-Engagement in diese Richtung geht angesichts der zunehmenden Zahl von Angriffen der Taliban, die zurückgeschlagen werden müssen. Der Kongo-Einsatz ist bisher harmlos, aber Außenminister Frank Walter Steinmeiers (SPD) und Verteidigungsminister Franz Josef Jungs (CDU) Rede von der Notwendigkeit eines robusten Mandats in Nahost zeigt, wohin die Reise gehen könnte. "Robust" heißt: Die Soldaten dürfen schießen, wenn es die Lage erfordert.

Es war CSU-Chef Edmund Stoiber, der in der vergangenen Woche die Notbremse zog, nachdem zahlreiche Außenpolitiker der Koalition und auch Jung erklärten, Deutschland dürfe sich bei einem Nahost-Einsatz nicht verweigern. Undifferenziert wurde in Berlin über Pioniereinheiten und Luftwaffeneinsätze geplaudert, bis Stoiber bei einem Spitzentreffen der Koalition in Bayreuth kurz vor der Aufführung von Wagners "Götterdämmerung" durchsetzte, daß keine deutschen Kampfeinheiten in die Pufferzone zwischen Israel und Libanon geschickt werden sollen. Auch Merkel ging inzwischen auf diese Linie, nachdem bereits zuvor SPD-Chef Kurt Beck die Entsendung von Marine-Einheiten in den Vordergrund gerückt hatte.

Bei einer Unterrichtung der Fraktionsspitzen im Kanzleramt vor einer Woche fiel jedoch auf, daß die Bundesregierung in Nahost durchaus mitschießen will. Merkel sprach zwar überwiegend von humanitärer Hilfe und von Lufttransport, aber zugleich wurde von Regierungsseite das Angebot einer Fregatte zur Absicherung der libanesischen Küste auf den Tisch gelegt. In New York ging der deutsche Botschafter bei den Vereinten Nationen zur gleichen Stunde noch etwas weiter und kündigte die Kontrolle der libanesischen Küste durch die deutsche Marine und die Entsendung von Polizeikräften zum Grenzschutz im Libanon an.

Verteidigungsminister Jung philosophiert

Am vergangenen Freitag war das Chaos in Berlin perfekt. Der UN-Botschafter wurde zurückgepfiffen, die Fregatte mutierte zum politischen U-Boot und tauchte bei der Unterrichtung der zuständigen Bundestagsausschüsse nicht mehr auf. Merkel, Steinmeier und Jung schickten sich an, die militärische Komponente kleinzureden und humanitäre Hilfe mit einem Einsatzgruppenversorger der Marine (mit einem Krankenhaus an Bord) in den Vordergrund zu stellen. Längst hatten sie mitbekommen, daß sie für einen Großeinsatz der Bundeswehr im Libanon keine Mehrheit im Parlament bekommen würden. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Ludwig Stiegler schätzt, daß ein Drittel seiner Fraktion einem Kampfeinsatz nicht zustimmen würde. Für die Union gibt es Schätzungen in ähnlicher Größenordnung. Damit wäre die Mehrheit der Koalition verloren.

Inzwischen geht die Regierung vorsichtiger vor. Es wird nur allgemein davon gesprochen, daß die Marine bei der Kontrolle von Schiffen, auf denen Waffen für die Hisbollah vermutet werden, notfalls von den eigenen Waffen Gebrauch machen müsse.

Jung philosophiert über die Frage, ob man Raketenangriffe auf ein deutsches Schiff nicht nur abwehren dürfe, sondern besser auch gleich die Abschußrampe zerstören solle. Das geht natürlich mit einem Einsatzgruppenversorger nicht, der als Selbstschutz nur vier Marine-Leichtgeschütze zur Abwehr von Dschunken und ähnlichen Booten sowie Stinger-2-Raketen an Bord hat. Die Fregatte dürfte wieder auftauchen, sobald das politische Feld in Berlin gut genug durchgepflügt und widerborstige Koalitions-Abgeordnete eingenordet worden sind.

Denn der politische Druck auf Berlin wächst. Frankreichs Präsident Jacques Chirac, der Merkel bereits in den Kongo-Einsatz trieb, rief bei der Kanzlerin an und bestand auf einem Gleichgewicht der europäischen Länder bei der Truppenentsendung in den Libanon. Frankreich stockt seine 200 Soldaten bei der Unifil-Truppe im Libanon zunächst um weitere 200 Pioniere auf. Im übrigen sind auch Pioniere Kampftruppen. Das ist eine Größenordnung, mit der auch Deutschland zu rechnen hat. Es war kein Zufall, daß der Unionsfraktionsvorsitzende Volker Kauder am vergangenen Wochenende plötzlich von deutschen Pionieren sprach.

Mit einer Fregatte, einem Lazarettschiff und einigen Flugzeugen wird die Bundesregierung nicht davonkommen, zumal die Uno Schwierigkeiten hat, überhaupt genug Truppen und vor allem qualifizierte Truppen zusammenzubekommen. Merkels Problem: Sie muß Politik gegen das eigene Volk machen, das nach Umfragen keinen Kampfeinsatz will, und riskiert Abstimmungsprobleme im Bundestag, die den Zusammenhalt der Koalition gefährden könnten.

Foto: Einsatzgruppenversorger "Frankfurt am Main" der Deutschen Marine: Nur leicht bewaffnet


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