© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/06 25. August 2006

Auf dem Mittelweg in den Antiterrorkampf
Innere Sicherheit: Bundesinnenminister Schäuble kündigt Gesetzentwurf für Terroristen-Datenbank an / Verfassungsrechtliche Bedenken
Georg Pfeiffer

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat angesichts der wachsenden Terrorgefahr in Deutschland angekündigt, nach der Sommerpause einen Gesetzentwurf über die Einrichtung einer sogenannten Anti-Terror-Datei vorzulegen. Der Bundestag soll noch im September darüber entscheiden. Die Innenminister von Bund und Ländern haben sich bereits über alle wesentlichen Punkte verständigt. Unterstützung kommt auch von der Gewerkschaft der Polizei (GdP):Eine solche Datei sei von "enormer präventiver Bedeutung". Sozial- und Christdemokraten erklärten ihre grundsätzliche Zustimmung. FDP und Grüne signalisierten dagegen verfassungsrechtliche Bedenken bei grundsätzlicher Billigung des Vorhabens. Sie wollen die Veröffentlichung des Gesetzentwurfes abwarten. Die Linkspartei lehnt das Projekt strikt ab.

Zweck einer solchen Datenbank ("Datei" ist eine gewaltige Untertreibung) ist es, die Erkenntnisse aller Sicherheitsdienste - Polizei, Zoll, Verfassungsschutz, Nachrichtendienste - zusammenzuführen und zu bündeln. Das Vorhaben, eine solche Datenbank einzurichten, ist nicht neu. Bereits 2004 legte der damalige Innenminister Otto Schily (SPD) einen entsprechenden Gesetzentwurf vor, der aber nie verabschiedet wurde.

Der Streit dreht sich nur noch darum, ob eine "Indexdatei" oder eine "Volltextdatei" eingerichtet werden soll, und um einzelne Details. Bei der sogenannten Indexlösung stünde in der Datenbank neben den persönlichen Daten eines Verdächtigen nur, welche Behörde unter welchem Aktenzeichen Erkenntnisse zu der Person zusammengetragen hat. Die Auskunft begehrende Behörde müßte dann auf herkömmlichem Wege um Auskunft ersuchen. Bei der Volltextlösung könnten beliebige Informationen zu dem Verdächtigen in die Datenbank eingetragen werden. Diese Form halten viele Parlamentarier für verfassungsrechtlich unzulässig.

Ausländerzentralregister mit 24 Millionen Einträgen

Der jetzige, noch nicht veröffentlichte Entwurf soll einen Mittelweg wählen, indem neben den unmittelbaren Angaben zur Person in vordefinierten Feldern auch Angaben zur Bankverbindungen, Telefon- und Internetverbindungen, Führerscheindaten und Kontaktpersonen gespeichert werden. Ein freies Textfeld für die Eingabe weiterer Daten soll nicht vorgesehen sein.

Um das Vorhaben einordnen zu können, lohnt sich ein Blick auf die bereits bestehende Datenbanklandschaft. Das Schengener Informationssystem (SIS) wird gerade mit erheblichem Aufwand sowohl geographisch als auch inhaltlich erweitert. Insbesondere sollen in SIS II neben biometrischen Daten auch allerlei Warnhinweise gespeichert werden wie der Verdacht der Zugehörigkeit zu Schleuser- oder eben auch zu Terrornetzwerken. Technisch dazu kompatibel ist die europäische Visa-Datenbank (VIS).

Bei der Polizei dienen Interpol und Europol dem internationalen Datentausch. In Deutschland gibt es neben dem Bundeszentralregister, das rechtskräftige Verurteilungen speichert, noch das Ausländerzentralregister mit derzeit etwa 24 Millionen Einträgen.

Neben Angaben zur Person des Verdächtigen sollen auch Kontaktpersonen sowie Unternehmen, Stiftungen und andere Institutionen, zu denen sie Kontakt hat, gespeichert werden. Man muß einmal so eine Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft gesehen haben. Die aus einem Mobiltelefon ausgelesenen Daten und die Auskunft des Netzbetreibers füllen oft seitenlange Listen mit persönlichen Daten zu "Kontaktpersonen". Wenn das alles in die Anti-Terror-Datenbank einfließt, entsteht sehr schnell ein umfassendes Bild über die Kommunikationsstrukturen eines sehr großen Teiles dieser Gesellschaft.

Bereits jetzt ist die nächste Weiterung absehbar: Terrorismus ist international. Natürlich werden in einem nächsten Schritt die nationalen Anti-Terror-Datenbanken vernetzt und zu einer europäischen Anti-Terror-Superdatenbank zusammengefaßt werden. Ursprünglich richtete sich die Datenbank ausschließlich gegen "islamistische Terrorverdächtige". Inzwischen ist auch von links- oder rechtsextremistischen Terrorverdächtigen die Rede. Es ist vorhersehbar, daß bald auch Pädophilenringe, Drogenringe und schließlich jede Art von irgendwie organisierter Kriminalität ins Visier geraten.

Nach dem letzten Entwurf zu einer Anti-Terror-Datenbank mußte der Betroffene auf einen konkreten Sachverhalt hinweisen und ein besonderes Interesse darlegen, um Auskunft darüber zu erhalten, welche Daten zu seiner Person gespeichert sind. Dagegen gab es wieder eine ganze Reihe von weiten Ausnahmetatbeständen, in denen die Auskunft unterbleiben konnte.

Der frühere Verfassungsrichter Dieter Grimm äußerte denn auch gegenüber der Wochenzeitung Die Zeit tiefgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Vorhaben der Bundesregierung. Aus gutem Grund seien die Befugnisse zur Informationsbeschaffung bei Geheimdiensten und Polizei sehr unterschiedlich geregelt. Diese Grenzen dürften nicht zum Zwecke der Informationsbeschaffung des Staates abgeschafft werden. Der allwissende Staat werde sehr schnell zum allmächtigen Staat. Freiheit gebe es dagegen nur im begrenzten Staat.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen