© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/06 25. August 2006

Nachfolger dringend gesucht
Nahrungsmittelwirtschaft: Es gibt immer weniger deutsche Imker / Rückgang der Bienenvölker bedroht die Artenvielfalt
Daniel Körtel

An einem Maisfeld im thüringischen Eichsfeld: Der Imker Arnold Göbel ist seit dem frühen Morgen mit der Pflege seiner neun Bienenvölker beschäftigt. Das heiß-trockene Sommerwetter der letzten Wochen hat die Nektarproduktion der von seinen Honigbienen angesteuerten Pflanzen deutlich vermindert. Bienen passen sich dem verknappten Nahrungsangebot an - indem sie weniger Nachwuchs aufziehen.

Damit die Bienenkönigin aber "in Eilage" bleibt, also weiterhin Eier legt, aus denen später Bienen wachsen, bietet Göbel ihnen die Reizfütterung durch mit Honig versetztes Zuckerwasser an. Mit dem Regen der letzten Tage verbindet der Imker die Hoffnung auf eine anhaltende Wetteränderung, durch die die Ertragsausfälle kompensiert werden können. Weiterhin behandelt er zur Milbenprophylaxe die ausgeschleuderten Rähmchen aus den als Beute bezeichneten Bienenstöcken mit Ameisensäure.

Schwemme billiger Importe aus China und Mexiko

Die Imkerei in Deutschland ist kein einfaches Geschäft und eignet sich in der Regel nur als Nebenerwerb und Hobby. Göbel beklagt die Schwemme billiger Importware aus China und Mexiko, deren Qualität er so beurteilt: "Die sind Magermilch, mein Honig ist Vollmilch." Eine Kostprobe seiner Phacelia- und Rapsblütenhonige bestätigt, daß seine Produkte dem Vergleich mit denen aus dem Supermarkt mehr als standhalten. "Man sollte sich auf unsere Eigenprodukte besinnen", wirbt Göbel für den Honig aus heimischer Erzeugung.

Doch nicht nur der heiße Sommer und die ausländische Konkurrenz bereiten Göbel Sorgen: Der 81jährige, der auf eine fast 60jährige Tätigkeit als Imker in Familientradition zurückblickt und damit der dienstälteste Imker in Eichsfeld ist, findet keinen Nachfolger. Ein 16jähriger junger Mann, der anfangs Interesse zeigte, ist nach dem ersten Arbeitstag nicht wiedergekommen. Es war ihm zuviel Arbeit. Viele Leute meinen, so Göbel, Imkerei wäre einfach nur Honig schleudern, ohne die vielen zeitaufwendigen Vorarbeiten zu bedenken wie das Bauen und die Pflege der Rähmchen, in denen die Bienen ihre Waben einbauen.

Imker Göbel ist mit seinen Nachwuchssorgen kein Einzelfall. Auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT bestätigt Walter Leukel, Vorsitzender des Landesverbandes Hessischer Imker, daß es sich um ein allgemeines Problem in seinem Gewerbe handelt. Angesichts des hohen Durchschnittsalters der hessischen Imker von Anfang 60 sieht er die Situation kritisch. Die meisten hätten keinen Nachfolger. Der Niedergang der Imkerei drückt sich in Zahlen aus: Von einst 150.000 hessischen Bienenvölkern in den 1950er Jahren sind heute nur noch ein Drittel übrig geblieben. Diese Entwicklung ist bundesweit zu beobachten.

Für das mangelnde Interesse der Jugend an der Imkerei macht Leukel hauptsächlich drei Gründe verantwortlich. Da sind zum einen die Konkurrenz durch technische Angebote wie den Computer, der steigende Druck und die Anforderungen in Ausbildung und Beruf und die mangelnde Vermittlung der Insektenkunde in den Schulen. Schon dem Normalbürger sei so etwas schwer zu vermitteln, auf die Kinder schlage dies erst recht durch. Das alles führe zu einer Entfremdung der Jugend von der Natur, so daß sich ein Interesse an der Honigbiene nicht entwickeln könne.

Durch gezielte Aktionen versuchen die hessischen Imker das Interesse an ihrer Tätigkeit zu wecken. Neben Vorführungen vor Schulklassen präsentieren sie sich auf öffentlichen Veranstaltungen wie dem Hessentag und dem jährlichen Imkertag, der abwechselnd in verschiedenen Regionen abgehalten wird. Darüber hinaus können Einsteiger und Interessierte an praktischen Schnupperkursen zur Imkerei teilnehmen. Und seit zwei Jahren küren die hessischen Imker eine Honigkönig - derzeit Julia I. -, die als menschliche Botschafterin Öffentlichkeitsarbeit für die Honigbienen betreibt. Der Zuspruch auf diese Aktionen sei in Nordhessen recht groß gewesen.

Für den Fall, daß die gegenwärtige Abwärtsentwicklung der deutschen Imkerei anhält, verweist Leukel auf die ökologischen Konsequenzen: Über 80 Prozent aller Blütenpflanzen brauchen die massive, direkte Bestäubung durch die Honigbiene, auf die besonders Raps und Obstbäume angewiesen sind. So sei der Samenertrag von Raps um ein Drittel höher, wenn er durch Bienen bestäubt wird. Einen Rückgang der Artenvielfalt durch ein Schrumpfen der Bienenbestände würde man nur langsam bemerken: "Aber dann ist es bereits zu spät."

Das Deutsche Bienenmuseum in Weimar (Telefon: 0 36 43 / 90 10 32) informiert über das Thema. Im Internet: http://dbm.lvti.de 


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