© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/06 25. August 2006

Selbständigkeit hissen
Politische Zeichenlehre IV: Drei plus vier gleich eins
Karlheinz Weissmann

Drei plus vier gleich eins" ist kein Rechenfehler, sondern ein Sgraffito, das seit den achtziger Jahren immer wieder im Baskenland auftaucht. Es steht für das baskische "Zazpiak Bat", was soviel wie "sieben sind eins" bedeutet, und bringt die Forderung nach Vereinigung der drei französischen (Basse Navarre, Labourd, Soule) und der vier spanischen Provinzen (Guipúzcoa, Alava, Biscaya sowie Navarra) des Baskenlandes zum Ausdruck.

Die Schaffung eines "Großbaskenlandes" - Euskal Herria - war in der jüngsten Vergangenheit eher zurückgetreten angesichts der Tendenzen zur Regionalisierung diesseits und jenseits der Pyrenäen. Jetzt hat aber die baskische Terrororganisation ETA ein entsprechendes Programm ins Spiel gebracht, verknüpft mit dem Angebot von Verhandlungen, die man nach Beginn des Waffenstillstands im Frühjahr mit der spanischen wie der französischen Regierung aufnehmen will.

Bisher hat sich aber nur Madrid zu einem gewissen Entgegenkommen bereit erklärt, Paris zeigt sich gegenüber der Forderung nach Autonomie oder gar Anerkennung einer baskischen "Nation" unnachgiebig. Das erklärt auch die Empfindlichkeit, mit der in Frankreich auf das Hissen der Ikurriña vor öffentlichen Gebäuden reagiert wird. Ikurriña ist das baskische Wort für "Fahne" und bezeichnet die baskische Flagge, die auf rotem Feld ein grünes Andreaskreuz, darüber gelegt ein weißes griechisches Kreuz zeigt. Das Motiv geht wahrscheinlich auf das traditionelle Wappen der Biscaya zurück, die Fahne selbst wurde 1894 von Sabino Arana und / oder seinem Bruder Luis entworfen. Sabino Arana war der Vater des modernen baskischen Nationalismus, der in den Basken nicht einen spanischen "Stamm", sondern ein eigenes "Volk", fast eine eigene "Rasse" sah. Am 31. Juli 1895 gründete Arana die bis heute bestehende Baskische Nationalistische Partei, die zuerst die Ikurriña als ihr Abzeichen verwendete.

Die Ikurriña erfreute sich aber rasch auch außerhalb der Partei, sowohl im spanischen wie im französischen Baskenland, großer Beliebtheit und diente von Anfang an als Symbol der Selbständigkeitsbestrebungen. Folgerichtig galt sie während der zweiten spanischen Republik, zwischen 1931 und 1939, als Landesflagge des spanischen Baskenlandes, 1936 wurde sie durch ein Gesetz sogar zum Hoheitszeichen der Region gemacht.

Das allein hätte genügt, um nach Errichtung des Franco-Regimes ein Verbot der Ikurriña zu begründen, die als staatsfeindliches, da gegen die Einheit Spaniens gerichtetes Symbol betrachtet wurde. Sie konnte seit 1939 faktisch nur noch im französischen Baskenland gezeigt werden, hatte dort aber bloß folkloristische Bedeutung. Der baskische Nationalismus war hier niemals so stark wie im spanischen Teil, wo er sich zudem mit der einflußreichen anarchistischen Bewegung verband.

Erst nach Spaniens Rückkehr zur Demokratie erhielt die Ikurriña ihren ursprünglichen Status zurück und wurde in Artikel 5 des Autonomiestatuts von 1979 offiziell zur baskischen Flagge erklärt. Das hat ihre Bedeutung weiter gestärkt, zumal sich die Zentralregierung immer nachgiebiger im Hinblick auf die Forderung nach Souveränitätsrechten für die Regionen zeigte. Die radikalen Kräfte des baskischen Nationalismus sehen deshalb im Hissen der Ikurriña die Auflösung des spanischen Gesamtstaats symbolisch vorweggenommen. Durch die historische und kulturelle Verbindung mit den französischen Gebieten erhält diese Entwicklung aber noch eine besondere Brisanz. Flaggen sind in "Euskadi" keineswegs Accessoires. Sie können auch den erbitterten Willen zur Durchsetzung bestimmter politischer Ziele ausdrücken. Die mögen utopisch erscheinen, aber das hat man auch von den Programmen der europäischen Irredenta des 19. und frühen 20. Jahrhunderts behauptet. Die Gereiztheit der französischen Verwaltung in bezug auf die Ikurriña hat insofern einen durchaus rationalen Kern.


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