© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/06 01. September 2006

Zufälle gibt es!
Der Einwanderungswahnsinn entpuppt sich als europäisches Projekt
Robert Hepp

Am 7. August trat der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, der Abgeordnete Dieter Wiefelspütz, vor die Presse, um zur allgemeinen Überraschung bekanntzugeben, daß die Regierungskoalition die Absicht habe, das Zuwanderungsgesetz, das erst seit Anfang letzten Jahres in Kraft ist, einer Revision zu unterziehen, um die Einwanderung "hochqualifizierter Arbeitskräfte" zu erleichtern. Nach der Darstellung des Abgeordneten werden entsprechende Pläne des Innenministeriums sowohl von der Union als auch von der SPD unterstützt.

In der Großen Koalition sei man übereinstimmend zu der Ansicht gelangt, daß sich gewisse Regelungen des Gesetzes als zu bürokratisch erwiesen hätten und auf potentielle Zuwanderer eher abschreckend als anziehend wirkten. Als ein Beispiel führte Wiefelspütz die Tatsache an, daß die Mindestverdienstgrenze, die im Zuwanderungsgesetz als Voraussetzung für eine Niederlassungserlaubnis festgesetzt wurde, so hoch angesetzt sei, daß im letzten Jahr nur noch 900 hochqualifizierte Fachkräfte gewonnen werden konnten, die diese Bedingung erfüllten. Da solche Zugangsbarrieren im Interesse der deutschen Wirtschaft schnellstens beseitigt werden müßten, sollen die beabsichtigten Gesetzesänderungen nach den Plänen der Koalition bereits im September im Bundestag eingebracht und noch 2006 verabschiedet werden.

Wer sich an die Querelen erinnert, die sich zwischen den beiden Partnern der Großen Koalition vor noch nicht allzu langer Zeit an der Frage der Zulassung von Ausländern zum deutschen Arbeitsmarkt entzündeten, kann sich über die plötzliche Eintracht und Harmonie nur wundern. Es ist ja noch keine Ewigkeit her, daß die CDU der SPD in NRW mit der "populistischen" Losung "Kinder statt Inder" eine hübsche Portion Wählerstimmen abjagte. Und schließlich haben die Unionsländer Schilys Zuwanderungsgesetz im Vermittlungsausschuß erst passieren lassen, als die rot-grüne Regierung auf das in ihrem Entwurf ursprünglich vorgesehene Punktesystem, das eine "unbürokratische" Öffnung des Arbeitsmarktes für alle Arten von "Migranten" ermöglichen sollte, verzichtete und sich dazu bereit fand, die dauerhafte Niederlassung "Hochqualifizierter" vom Nachweis eines Mindesteinkommens abhängig zu machen, das die Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung um das Doppelte übersteigen sollte.

Just diese Korrekturen sollen nun von einer Regierung, in der die CDU mit der Kanzlerin über die Richtlinienkompetenz verfügt, wieder rückgängig gemacht werden! Hat Angela Merkel vielleicht, um Kanzlerin zu werden, in den Koalitionsvereinbarungen darauf verzichtet, von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen, wie böse Zungen behaupten? Haben sich da etwa wieder mal die Sozialdemokraten durchgesetzt? Das Zuwanderungsgesetz wäre nicht das einzige Beispiel einer Gesetzesvorlage, die erst unter der schwarz-roten Koalition ihren ganzen rot-grünen Charme entfalten konnte. Das Antidiskriminierungsgesetz, das die Große Koalition verabschiedet hat, ist so grün wie das Gras.

Die Vorgeschichte des Zuwanderungsgesetzes weist allerdings in eine ganz andere Richtung. Zwar fallen auch bei uns Gesetze noch nicht vom Himmel, aber die Initiative dazu kommt doch immer häufiger von hoch oben. Die Gesetzgebungsarbeit in Berlin dürfte heute zu 90 Prozent in der "Umsetzung" oder "Absegnung" von Empfehlungen und Richtlinien bestehen, die von supranationalen Gremien oder Konferenzen ausgebrütet wurden.

So ging zum Beispiel die Green-Card-Initiative, die uns als Idee der Regierung Schröder verkauft wurde, auf eine Anregung der Bevölkerungsabteilung der Vereinten Nationen zurück, die den europäischen Staaten schon im Jahr 1999 empfahl, ihre Arbeitsmärkte für 40 Millionen arbeitslose indische und pakistanische Techniker zu öffnen, und die Anfang des Jahres 2000 eine Studie mit dem Titel "Replacement Migration" herausgab, in der im Detail vorgeführt wurde, wie Länder mit einer schrumpfenden und alternden Bevölkerung durch eine gezielte Aufnahme von Migranten funktionsfähig erhalten werden könnten. Wenn Deutschland zum Beispiel seinen Bevölkerungsstand bis zum Jahr 2050 konstant halten wollte, bräuchte es nach dieser Studie jährlich nur 344.000 Einwanderer aufzunehmen. Wenn es den Anteil Erwerbstätiger nicht absinken lassen möchte, würde eine Nettozuwanderung von 487.000 pro Jahr genügen. Wollen wir, daß sich das "Betreuungsverhältnis" der 15- bis 64jährigen zu den Älteren nicht ändert, müßten wir jährlich nur 3,63 Millionen Migranten gewinnen, bis 2050 181,5 Millionen!

Die EU-Kommission, die sich die Idee der "Bestandserhaltungsmigration" vollständig zu eigen gemacht hat, hört nicht auf, die altersschwachen europäischen Staaten zu einer Beseitigung aller "Gesetzesbarrieren" aufzufordern, die ihrer Versorgung mit frischem Blut im Wege stehen könnten. Wie verlautet, wurde in Brüssel vor kurzem eine Richtlinie fertiggestellt, nach der seltsamerweise genau das verboten werden soll, was die Große Koalition jetzt aus dem Zuwanderungsgesetz herausnehmen will. Was für ein Zufall!


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen