© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/06 01. September 2006

Jenseits der Fünf-Prozent-Hürde
Berlin: 31 Kleinparteien treten zur Abgeordnetenhauswahl an / WASG mit größtem Werbeetat / Republikaner hoffen auf Bezirksvertretungen
Victor Gaché

Bei der Berliner Abgeordneten-hauswahl treten 31 Kleinparteien an. Das Interesse an den Konkurrenten der Etablierten hält sich in Grenzen. Die einzige Ausnahme bildet die WASG, deren Kandidatur bereits von einem massiven Medienwirbel begleitet wurde. Außerdem ist die Truppe um Lucy Redler, die "rote Lucy" (JF 34/06), optisch in der ganzen Stadt präsent. Das Wahlkampfbudget von 55.000 Euro reichte zwar nicht für Großplakate, dafür hängt die Spitzenkandidatin an vielen Laternen. Außerdem geht die mediale Förderung der WASG durch staatliche Institutionen und das Staatsfernsehen weiter: Im amtlich betriebenen "Wahlomat" taucht die WASG gleichberechtigt neben CDU, FDP, SPD, Grünen und der Linken auf.

Auf das Proteststimmenpotential der WASG schielt aber auch die Rentnerpartei Graue. Sie war mit 1,4 Prozent 2001 die stärkste unter den kleinen Parteien. In überalterten Westbezirken wie Reinickendorf hatte sie damals schon die Drei-Prozent-Hürde für die Bezirksverordnetenversammlung im Visier.

Ganz anders sieht es bei den rechten Parteien aus. Sie konzentrieren sich auf den Osten. In der Innenstadt sind Republikaner und NPD kaum mit Plakaten vertreten. Die NPD plakatiert ihren Spitzenkandidaten Udo Voigt. Im NPD-Wahlspot sagt Voigt kein Wort, zwinkert einer Blondine zu und geht dann ins Rote Rathaus. Unterlegt ist das Ganze mit Rockmusik. Provokation sieht anders aus.

Die NPD lag bei der vergangenen Wahl mit 0,9 Prozent noch hinter den Republikanern (1,3 Prozent). Das könnte sich aber ändern. Denn bei der Bundestagswahl 2005 stürzten die Republikaner auf ein halbes Prozent ab, während die NPD 1,6 Prozent erhielt. Die NPD verklagt gerade verschiedene Bezirksverwaltungen, weil sie sich bei der Vergabe von öffentlichen Versammlungssälen benachteiligt fühlt. Mehrere Bezirke hatten alle politischen Verantaltungen in den Räumen ihrer Rathäuser verboten, nachdem die NPD versucht hatte Versammlungsräume anzumieten.

Die Republikaner die mit dem 39 Jahre alten Rechtsanwalt Björn Clemens ins Rennen gehen, hoffen darauf, zumindest ihren Stimmenanteil zu halten. Während ein Einzug der Republikaner in das Berliner Abgeordnetenhaus, der ihnen 1989 geglückt war, in weiter Ferne liegt, rechnet der Spitzenkandidat seiner Partei Chancen aus, in einige Bezirksverordnetenversammlungen einzuziehen. Neben Mitte und Reinickendorf, einer traditionellen Hochburg der Republikaner, setzt Clemens vor allem auf Pankow. In dem Bezirk tobt seit Monaten ein Konflikt um den geplanten Bau einer Moschee. Die Republikaner beteiligen sich an dem Kampf der Bürger gegen das islamische Gotteshaus und hoffen, daß sich dieses Engagement am 17. September auch an der Wahlurne auszahlt. Pankow sei nur ein Beispiel unter vielen dafür, daß die kulturelle Landnahme der Einwanderer in Deutschland voranschreite. Helfen dürfte den Republikanern auf dem Weg in die Bezirksparlamente die Tatsache, daß NPD und Republikaner in keinem Bezirk gegeneinander antreten. Eine Konstellation, die sich "so ergeben" habe, sagte Clemens gegenüber der JUNGEN FREIHEIT.

Ganz bewußt haben sich die Republikaner entschlossen, in dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg anzutreten. Gerade in Kreuzberg, das vielen immer noch als Vorzeige-Multikulti-Stadtteil gilt und wo die Partei bei der Wahl 1992 immerhin zehn Prozent der Stimmern erreichte, sei es wichtig, Flagge zu zeigen. Die Republikaner werben daher in Kreuzberg verstärkt mit Info-Ständen um Wähler. Dabei beschränke sich seine Partei nicht auf die Kritik an der Einwanderungspolitik, sagt Clemens. Man widme sich neben dem wichtigen Thema Integration auch drängenden Fragen wie etwa der Schulpolitik. "Wir müssen den Wählern deutlich machen, daß der rot-rote Senat versagt hat", sagt der Spitzenkandidat der Republikaner.

Zu den Neugründungen gehört die Elternpartei (31-32/06), die sich auch als "Bildungspartei" versteht. In dieser Funktion erhält sie Konkurrenz von einer weiteren neuen Partei, der Bildungspartei. Außerdem finden sich auf dem Stimmzettel die Partei der Arbeitslosen und Sozial Schwachen (PASS), die Anarchistische Pogo-Partei (APPD), die ÖDP und die Überreste der Schill-Partei (Offensive D).

Mit von der Partie ist auch die Bürgerrechtsbewegung Solidarität (Büso), die hartnäckig immer wieder an Wahlen teilnimmt - trotz permanenter Erfolglosigkeit. Der Spitzenkandidat der Büso, Daniel Buchmann, verkündet auf Plakaten: "Jugend will eine Zukunft". Und die, so verspricht der Kandidat, komme mit neuangesiedelter "Industrie für unsere Hauptstadt".

Die Büso gehört zum weltweiten Netzwerk des Millionärs Lyndon LaRouche. Der Amerikaner gebietet über ein Konglomerat aus Agenturen, Parteien und der Schiller-Stiftung in Deutschland. Im Sommer war Lyndon LaRouche schon mal vor Ort, um seine Deutschland-Filiale zu unterstützen. Der 83jährige sprang von Thema zu Thema, vor allem ging es um die Vereinigten Staaten. Wer die Welt mit LaRouches Augen sehen möchte, der muß zunächst folgende Verhaltensregeln einhalten: "Trauen Sie nie den Zeitungen. Die Zeitungen sind immer die größten Lügner."


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