© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/06 08. September 2006

Gier schlägt Ethik
Steuerpolitik: Ein neues Gesetz soll die Gefahren des kurzfristigen Rendite-Hungers eindämmen
Erol Stern

Wir müssen denjenigen Unternehmern, die die Zukunftsfähigkeit ihrer Unternehmen und die Interessen ihrer Arbeitnehmer im Blick haben, helfen gegen die verantwortungslosen Heuschreckenschwärme, die im Vierteljahrestakt Erfolg messen, Substanz absaugen und Unternehmen kaputtgehen lassen, wenn sie sie abgefressen haben", erklärte am 22. November 2004 Franz Müntefering bei der Friedrich-Ebert-Stiftung - doch ein Medienecho blieb zunächst aus.

Erst ein Interview des damaligen SPD-Chefs in der Bild am Sonntag vom 17. April 2005, in dem er Finanzinvestoren vorwarf, sie "fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter", brachte die "Debatte in Gang. Der 2004 erfolgte Weiterverkauf des - 1998 von BC-Partners gekauften und eines Großteils seines Eigenkapitals "entledigten" - deutschen Armaturenherstellers Grohe an eine US-schweizerische Investorengruppe schien Münteferings Warnungen exemplarsich zu bestätigen.

Mit der Großen Koalition sollte die Kontroverse um Macher und Methoden an den globalisierten Kapitalmärkten zunächst verstummten. Doch wenn es nach Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) geht, sollen Betreiberfirmen für private Beteiligungsfonds (Private Equity) neben den vieldiskutierten "Hedge Fonds"-Gesellschaften (JF 25/05) künftig stärker reglementiert werden. Einhergehend mit der geplanten Unternehmensteuerreform ist eine Abschaffung der steuerlichen Absetzbarkeit von Zinskosten für Firmen vorgesehen. Dies läßt nun jene Branche, die bei ihrer Finanzierung stark auf den Einsatz von - zu verzinsendem - Fremdkapital angewiesen ist, um ihr profitables Geschäftsmodell bangen.

Andererseits besteht in der Tat ein Trend, nur noch auf den kurzfristigen Gewinn zu setzen statt auf nachhaltige Geschäftspraktiken, die auch morgen noch Bestand haben werden. Neben dem Management und der Hochfinanz tragen auch private und institutionelle Anleger zunehmend die Verantwortung für diese Entwicklung, da sie ihr Geld bevorzugt demjenigen anvertrauen, der die höchsten Renditen erwirtschaftet - Gier schlägt Ethik. Das Ergebnis gleicht oft einem Schneeballsystem, in dem die - börslich und außerbörslich - erworbene Firmen regelrecht "ausgequetscht" und anschließend fallengelassen werden. Speziell bei den von Private-Equity-Gesellschaften übernommenen Unternehmen werden diese schnellen Resultate gerne durch ruinöse Kredite vorgetäuscht, die die Neuerwerbungen aufnehmen müssen. Zwar predigen seriöse Investmentgesellschaften ihren Anlegern gebetsmühlenartig mittel- bis langfristige Anlagehorizonte, sie werden jedoch oft schon bei der kleinsten Ertragsschwankung mit Mittelabflüssen zugunsten der vielzähligen "aggressiven" Mitbewerber abgestraft, was den Seriösen ebenfalls eine ungewollt kurzfristige Denkweise auferlegt.

Beliebte Methoden von Fondsbetreibern, um Manager zum schnellen Profit zu disziplinieren, sind feindliche Übernahmen, Verkauf von Tochterunternehmen und Vergütung mittels Aktienoptionen. Feindliche Übernahmen drohen besonders jenen Unternehmen, deren börslicher Wert niedriger ist als ihr realer, wobei das Top-Management in aller Regel seine Hüte nehmen darf. Die wenigen tatsächlich stattgefundenen feindlichen Übernahmen haben eine große abschreckende Wirkung.

Die Teilzerschlagung durch den Verkauf von Tochtergesellschaften und Firmenzweigen hat einen ähnlichen Effekt, wenn Investoren eine gleichmäßig hohe Ertragslage in allen Sparten verlangen. Auch die Bezahlung von Managern mittels Aktienoptionen verleitete schon manchen zu fingierten Geschäften und frisierten Bilanzen (Beispiele sind die US-Konzerne Enron und MCI Worldcom), um den eigenen Verdienst in schwindelerregende Höhen zu treiben.

Worauf fußt die Macht der Investmentgesellschaften? Als (Mit-) Eigentümer der Aktiengesellschaften können sie ihre Stimmrecht geltend machen, bisweilen in Abstimmung mit Branchenkollegen. Gängige Strategien sind "exit" und "voice" oder deren Kombination. Da einzelne Fonds zumeist nur Minderheitsbeteiligungen im einstelligen Prozentbereich halten, reicht die glaubhafte Androhung der Verkaufsabsicht (exit) bereits, den Aktienkurs sinken zu lassen, wenn Forderungen (voice) nicht umgesetzt werden.

Dennoch wäre es falsch, sämtliche Investoren unter Pauschalverdacht zu stellen, zumal es auch Kapitalgeber mit Weitblick und Werten gibt. Speziell innovative Firmenneugründungen sowie kleine und mittelständische Unternehmen sind auf private, außerbörsliche Finanziers angewiesen, da Banken oftmals durch gesetzliche Auflagen ("Basel II"-Regelungen, JF 24/02) die Hände gebunden oder sie schlicht wenig interessiert sind. Eine sinkende Bereitschaft von Staat, Kreditinstituten und Förderbanken zur Mittelstandsfinanzierung und Bereitstellung sogenannten Risikokapitals tut ein übriges. Eine Beteiligung an einem Unternehmen ist dabei in aller Regel eine volkswirtschaftlich wertvollere und steuer- sowie zinstechnische vorteilhaftere Form der Geldanlage als das passive Sparbuch.

Kleinanleger finden in der reichhaltigen Auswahl sogenannter Publikumsfonds praktische Angebote für jeden Bedarf, während betuchtere und institutionelle Anleger bei seriösen geschlossenen Fonds, zu denen auch die "Private Equity"-Offerten zählen, individuellere Konzepte antreffen, die auch in ethischer Hinsicht mitbestimmt werden können oder eigens aufgelegt werden (Spezialfonds). Eine Zäsur dieser Bereiche, so mahnen Kritiker der geplanten staatlichen Reglementierung, würde volks- und betriebswirtschaftlich unter dem Strich mehr schaden als nützen, denn privatem Beteiligungskapital wird von Branchenkennern in Zukunft wachsende Bedeutung beigemessen. Somit gilt es als Motor für Konjunktur, Beschäftigungsquote - und nicht zuletzt den Fiskus.


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