© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/06 08. September 2006

Zeitschriftenkritik: Goon
Kollateralschäden
Claus-M. Wolfschlag

Als "Magazin für Gegenwartskultur" präsentiert sich goon in schlichtem Layout. Schwarzweiß und im Schülerzeitungsformat A5 entzieht man sich bewußt kommerziellen Begehrlichkeiten einer schrillen und bunten Popindustrie. Man versteht sich offensichtlich als Zeitschrift für ein intellektuelles Publikum. Dennoch sticht goon angenehm durch die vergleichsweise lesbaren Texte hervor - wenngleich nicht unbedingt durch das sehr kleine Schriftbild. Das Sprachniveau übersteigt zum Glück nicht jenes anderer Popmagazine, wie beispielsweise intro. Man gleitet also nicht zu stark in blasiertes Diskurs-Gelaber ab.

Andererseits hält sich der "esoterische" Pop-Szene-Tratsch, dem nur Eingeweihte noch zu folgen in der Lage sind, in Grenzen. Die Nähe zur sogenannten "Poplinken" ist dabei deutlich spürbar - womöglich auch in Ermangelung einer politischen Alternative, wenn man denn schon popkulturell interessiert und intellektuell gleichzeitig sein möchte. So präsentierte goon im Frühjahr ein "Antifolk"-Konzert und eine Lesung des "poplinken" Mainzer Publizisten Martin Büsser in zwei Berliner Clubs. Büsser wiederum greift in der aktuellen Ausgabe als Autor über Adornos "Minima Moralia" und den japanischen Popmusiker Chihei Hatakeyama zur Feder.

Man gedenkt des 25jährigen Geburtstags der linken Popzeitschrift Spex. Diedrich Diederichsen wird an mehreren Stellen zum zigtausendsten Mal verarbeitet. Matthias Penzel erdreistet sich immerhin zu dem Sakrileg, mit Diederichsen und dessen "verquirltem Quark" hart ins Gericht zu gehen. Bei seiner Klage über die angeblich mangelnde Anerkennung von Pop als Kultur in Deutschland, zeigt er sich allerdings sehr deutsch. Leider nämlich bemüht er auch Klischees und Gemeinschaftskunde-Weisheiten, um gegen die Teilung in U- und E-Kultur zu wettern. So beklagt er die im 19. Jahrhundert vollzogene Trennung zwischen Kunst und Kitsch als eine "zwischen Hofkultur und Boulevard" und zwischen "reinrassig und entartet". (Merkwürdigerweise wurde der Kitsch- und Unterhaltungsvorwurf bislang eigentlich immer gegen die "reinrassige" NS-Kultur erhoben.) Und zur verstaubten deutschen Autorenkultur weiß er weise zu vermelden: "Ordentlich und sorgfältig, wie viele der Produkte, die das Wirtschaftswunder von Bonn anheizten ... aber eben nur ganz selten locker, neu, entfesselt, hemmungslos, pop. Vielleicht ... Wahrscheinlich / Nein:/ Mit Sicherheit gehört das eben zu den Kollateralschäden, die man hinzunehmen hat, wenn man zwei Weltkriege angezettelt und verloren hat."

Musikbesprechungen widmen sich unbekannteren Talenten abseits der Charts: Gruppen wie The Most Serene Republic aus dem "Kreativzentrum der Popwelt" Montreal oder Einzelphänomenen wie dem 21jährigen Modedesigner, Fotograf und Elektromusiker Jimmy Edgar aus Detroit. Die Literaturkritiken umfassen ein buntes Potpourri von Elfriede Jelinek über Bret Easton Ellis und Feridun Zaimoglu bis zu Silke Scheuermann.

goon. Magazin für Gegenwartskultur. c/o Sebastian Hinz, Colbestraße 3, 10247 Berlin. Internet www.goon-magazine.de . Erscheint vierteljährlich.


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