© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/06 15. September 2006

Ein Journalist als Staatsfeind
Belgien: Der flämische Publizist Paul Belien wird schikaniert / Sein "Brussels Journal" ist EU-feindlich und politisch nicht korrekt
Catherine Owerman

Das Königreich Belgien, ein 1830 gegründeter Kunststaat, präsentiert sich innerlich immer zerrissener - und darin der EU nicht unähnlich. Es mehren sich die Zeichen, daß der Staat mit seiner zu etwa 60 Prozent flämischen und zu knapp 40 Prozent wallonischen Bevölkerung - die aber politisch immer noch dominiert - in nicht allzu ferner Zukunft entlang dem sprachlich-ethnischen Graben auseinanderbrechen könnte. Das Beispiel der Tschechoslowakei, die am 31. Dezember 1992 endgültig auseinanderfiel, beweist, daß Staatstrennungen auch in Mitteleuropa möglich sind.

Der 1959 geborene Journalist Paul Belien hat einiges zum nicht auszuschließenden Zerfall Belgiens beigetragen. Wenn es um die Mißstände des 10,3-Millionen-Einwohner-Landes geht, war er stets an vorderster Berichterstatterfront - und hat seine Unbotmäßigkeit teuer bezahlt. Belien ist einer der umstrittensten Publizisten des Königreiches, dem die Behörden neuerdings mit polizeilichen Schikanen das Leben schwer machen, seit sein Internetportal "Brussels Journal" erfolgreich eine Gegenöffentlichkeit aufbaut.

In den späten achtziger Jahren verlor Belien, ein klassischer Liberaler und zugleich wertkonservativer Katholik, seine Anstellung bei einer flämischen Zeitung, nachdem er das Tabu der Abtreibung und die Haltung des damaligen belgischen Königs dazu ansprach. Später hat er darüber sogar ein Buch ("Abortus, het grote taboe") geschrieben.

Fortan publizierte Belien vor allem in britischen und US-Blättern. Als vor zehn Jahren der Skandal um den Kinderschänder Marc Dutroux das Land erschütterte, erklärte Belien im New Yorker Wall Street Journal die politische (wallonische) Elite zu Mitverantwortlichen. Die Taten von Dutroux und der Verdacht, daß dieser ein Netz an Mittätern und Mitwissern bis in die höchsten Kreise hatte, bereiten vielen Bürgern noch heute Alpträume: Zu viele Ungereimtheiten gibt es im Fall des mit Sozialhilfe alimentierten mehrfachen Mörders. Mit seinen scharfen Angriffen auf die belgischen Eliten stach Belien in ein Wespennest - nach Interventionen hochrangiger Politiker wurde er beim WSJ zum Schweigen gebracht.

Belien, der 1994 das Centre for the New Europe (CNE), eine "Denkfabrik" gegen die überbürokratisierte und zentralistische EU, gegründet und gemeinsam mit der früheren britischen Premierministerin Margaret Thatcher dazu ein Buch geschrieben hat, betätigt sich seither als freier Journalist. Seit einem Jahr betreibt er nun das englischsprachige "Brussels Journal".

Dort werden sowohl klassisch wirtschaftsliberale, als auch euroskeptische und islamkritische Artikel veröffentlicht. Belien hat etwa zwei Dutzend Autoren für die Mitarbeit gewinnen können, darunter der konservative britische Europaabgeordnete Daniel Hannan, mehrere Professoren und bekannte Internet-Publizisten wie etwa der Norweger "Fjordman" (http://fjordman.blogspot.com). Manche Beiträge ziehen Tausende von Lesern an. Die investigative und kritische Berichterstattung von Beliens Mitarbeitern zu den Hintergründen der islamischen Proteste wegen der dänischen Mohammed-Karikaturen (JF 10-11/06) zog weltweit die Rekordzahl von über eine Million Leser an.

Recht bald wurden auch die belgischen Behörden aufmerksam. Beliens Seite berichtet immer wieder über die sich abzeichnende Islamisierung Europas und die Unwilligkeit der Eliten, sie zu stoppen. Die staatliche Gleichstellungsbehörde wirft ihm vor, seine Artikel seien "volksverhetzend". Weil er angesichts des staatlichen Versagens, die explodierende Schwerstkriminalität einzudämmen, Waffen für die Bürger zur Selbstverteidigung forderte, erklärte man ihn sogar zu einem Stichwortgeber für einen rassistischen jungen Amokläufer.

Vor einigen Wochen stand erneut die Polizei vor seiner Haustür, um ihn zu seiner Gesinnung zu befragen; diesmal ging es um die Tatsache, daß er seine Kinder zu Hause unterrichtet. Ob er dazu überhaupt befähigt sei, zweifeln die Behörden plötzlich.

Freilich ist in Belgien "Hausunterricht" gesetzlich prinzipiell möglich. Belien, studierter Jurist und promovierter Politologe, und seine Ehefrau Alexandra Colen, eine frühere Universitätsdozentin, sind intellektuell sicher in der Lage, eine hochwertige Alternative zur staatlichen Schule zu bieten - die älteren vier der fünf Kinder haben inzwischen mit Erfolg die Universität absolviert. Ausschlaggebend für das neuerliche Interesse der Polizei sind wohl eher Beliens und Colens politische Ansichten und Aktivitäten. Die gebürtige Irin Colen ist Parlamentsabgeordnete des rechtsgerichteten Vlaams Belang (VB), des zwangsumbenannten Vlaams Blok (JF 48/04), dessen wirtschaftsliberalen Flügel sie vertritt. Belien, obwohl nicht VB-Mitglied, hat starke Sympathien für deren Ziele.

Man tritt Belien nicht zu nahe, wenn man ihn als "Staatsfeind" bezeichnet. Als klassischer Liberaler tritt er für eine Reduktion des Staates auf ein absolutes Minimum ein; zudem kämpft er für die Möglichkeit der Sezession, wie sie die amerikanischen Kolonien vor 230 Jahren vormachten, als die Steuerlast der fernen britischen Krone unerträglich wurde. Auch viele Flamen empfinden die fiskalischen Transfers an die von Wallonen dominierte Brüsseler Administration als unerträgliche Belastung.

Majestätsbeleidigung und Warnung vor Islamismus

Belien bekämpft den belgischen Staat, den er politisch und moralisch für verrottet hält. Sein neuestes Geschichtswerk "A Throne in Brussels", von britischen und US-Rezensenten gefeiert, beschreibt die lange Kette von Verbrechen, Verfehlungen und Skandalen, die sich das belgische Königshaus in 176 Jahren zuschulden kommen ließ. Beliens fortgesetzte Majestätsbeleidigung mag also auch ein Grund sein für den zunehmenden behördlichen Druck, unter dem er steht.

Inzwischen haben schon mehrere US-Zeitungen den Fall aufgegriffen. Die National Review, die einen guten Draht zum Weißen Haus hat, drohte indirekt mit einer Kampagne, sollte das "Brussels Journal" behördlich weiter behindert oder Belien gerichtlich verfolgt werden. Die konservative Washington Times warnte in einem Kommentar: "Die freie Rede ist in Belgien gefährdet." Die Versuche, Belien und seine Artikel für die rassischen Spannungen verantwortlich zu machen, zeigten nur, "wie unwillig die belgischen Behörden sind, die wahren Probleme anzugehen, die durch die Gemeinden von nicht-assimilierten Muslimen geschaffen werden". Es würde, bemerkt die Washington Times, "Belgien - und Europa insgesamt - oftmals nützen, wenn es den Rat des 'Brussels Journal' beachten würde, anstatt es zu kriminalisieren".

Das englischsprachige Magazin "Brussels Journal" von Paul Belien findet sich im Internet unter www.brusselsjournal.com 

Foto: Paul Belien: Klassischer Liberaler und wertkonservativer Katholik


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen