© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/06 15. September 2006

BRIEF AUS BRÜSSEL
Keine Toleranz für Perverse
Andreas Mölzer

Der Fall Natascha Kampusch erweckte weltweites Medieninteresse. Das tragische Schicksal dieses Mädchens aus Wien, das 3.096 Tage lang im niederösterreichischen Strasshof gefangengehalten wurde, sollte von der EU zum Anlaß genommen werden, um stärker als bisher alle Formen des Kindesmißbrauchs zu bekämpfen. Auch wenn die Entführung von Kindern nicht an der Tagesordnung ist, so ist doch jeder einzelne Fall ein Fall zuviel. Außerdem weiß niemand genau, wie viele einschlägig Verhaltensgestörte unter uns leben, die jederzeit ihre perversen Phantasien ausleben könnten.

Eine erste sinnvolle Maßnahme wäre etwa der Aufbau einer EU-weiten Datei, in der die Namen von potentiellen Sexualstraftätern gespeichert werden sollen. Dadurch bekämen die EU-Staaten die Möglichkeit, jenen Vorteil zumindest teilweise wettzumachen, den Kinderschänder aus den vielbejubelten offenen Grenzen ziehen könnten. Zusätzlich zu dieser Kartei ist auch eine EU-weite Anhebung der Verjährungsfristen sowie des Strafrahmens in den nationalen Gesetzen, der bis hin zur lebenslangen Verwahrung nicht therapierbarer Täter reichen müßte, dringend erforderlich.

Der Aufbau einer EU-Kartei für potentielle Sexualstraftäter würde wohl einen lauten Aufschrei politisch korrekter Kreise nach sich ziehen. Der Bogen der Vorwürfe würde sich von der Rückkehr der Inquisition bis hin zur Stigmatisierung "fehlgeleiteter" Menschen spannen, deren "Resozialisierung" man damit erschwerte.

Wenn es aber um den "Kampf gegen Rechts" oder vermeintliche Diskriminierungen geht, dann ist den Apologeten des spätlinken Zeitgeists allerdings jedes Mittel recht. Dann werden ehrbare Bürger, wenn sie eine politisch mißliebige Weltanschauung vertreten, von den Moralwächtern der political correctness an den Pranger gestellt, welche die Rolle des Klägers und Richters in einer Person vereinigen. Und das EU-Polit- Establishment, das sonst bei jeder sich bietenden Gelegenheit von der Bedeutung der Menschenrechte spricht, schweigt zum Treiben dieser Jagdgesellschaft.

Skandalös ist auch das Schweigen Brüssels, das sich für gewöhnlich in alle möglichen Angelegenheiten der Mitgliedstaaten einmischt, zu der in den Niederlanden gegründeten Pädophilen-Partei (PNVD). In diesem EU-Staat hat sich eine Gruppe Perverser zum Ziel gesetzt, für die Legalisierung von Sexualkontakten mit Kindern einzutreten. Einer ihrer Gründer gab zuletzt in einem TV-Bericht unumwunden zu, vor 18 Jahren - das Verbrechen ist mittlerweile verjährt - einen Knaben für seine perversen Spiele mißbraucht zu haben. Daß die PNVD nicht sofort verboten wurde, zeigt, wie sehr Kindesmißbrauch in manchen Teilen Europas bereits gesellschafts- und auch politikfähig geworden zu sein scheint.

Die Zustände in Europa - Samthandschuhe für potentielle Sexualstraftäter einerseits und munteres Schwingen der Moralkeule gegen politisch Andersdenkende andererseits - zeigen aber auch, wie dringend ein grundlegender Umdenkprozeß der Polit-Nomenklatura vonnöten ist. Denn eine Gesellschaft, die offenbar nicht willens ist, ihre schwächsten Mitglieder, die Kinder, zu schützen, ist dem Untergang geweiht. Und der Bevölkerungsschwund in Europa zeigt, daß wir nicht mehr sehr weit vom Abgrund entfernt sind. 

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


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