© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/06 15. September 2006

Frisch gepresst

Friedrich Meinecke. Der uralt gewordene Historiker Friedrich Meinecke (1862-1954) kam aus dem preußischen Archivdienst aufs Katheder und haderte lange mit diesem Schicksal, da er sich wegen eines schweren Sprachfehlers als Dozent für denkbar ungeeignet hielt. Den Aufstieg zu einem der bedeutendsten deutschen Historiker des 20. Jahrhunderts hat dies dann aber sowenig behindert wie seinen Erfolg als Lehrer. Aus Meineckes Schüler-Kreis gingen zwei Dutzend namhafter Historiker hervor, die zwischen 1918 und 1950 ihrerseits auf Lehrstühle gelangten. Kennzeichnend für diesen Schülerkreis war der hohe jüdische Anteil. Der Emeritus Gerhard A. Ritter hat - für ihn eine "labour of love" - sich der Mühe unterzogen, zwölf dieser nach 1933 emigrierten Schüler auszuwählen und ihre Beziehung zu Meinecke in zumeist erstmals publizierten Briefen zu dokumentieren (Friedrich Meinecke: Akademischer Lehrer und emigrierte Schüler. Briefe und Aufzeichnungen 1910-1977, Oldenbourg Verlag, München 2006, 514 Seiten, Abbildungen, broschiert, 59,80 Euro). Berücksichtigt wurden Hans Rothfels, Dietrich Gerhard, Gerhard Masur, Hajo Holborn, Felix Gilbert, Hans Baron, Hans Rosenberg, Hedwig Hintze, Eckart Kehr, Hans Günther Reissner und Gustav Mayer. Getrübt wird der Eindruck, den diese vorzügliche Edition hinterläßt, lediglich durch die unansehnlichen Reproduktionen von Porträtfotos, auf denen die Abgebildeten kaum zu erkennen sind.

George-Kreis. Als beim linken Wallstein-Verlag in Göttingen 2004 ein Sammelband über die Historiker und das Geschichtsdenken im Kreis Stefan Georges erschien, war unschwer zu prophezeien, daß noch weitere geisteswissenschaftliche Disziplinen auf ihre Abhängigkeit von Kunst und Weltanschauung des "Meisters" befragt werden würden. Tatsächlich fand im Februar 2004 in des Dichters Geburtsort Bingen denn auch eine - das Thema bei weitem nicht erschöpfende - Tagung über "Wissenschaftler im George-Kreis" statt. Fast alle dort gehaltenen Referate kann Bernhard Böschenstein nun in einem Sammelband präsentieren (Die Welt des Dichters und der Beruf der Wissenschaft. Walter de Gruyter, Berlin 2005, 376 Seiten, gebunden, 98 Euro). Bedauerlich ist nur, daß die Beiträger, die dem Einfluß Georges in einem breiten, vor allem die neueren Philologien berücksichtigenden Segment der Geistes- und, etwa in der Person Berthold Schenk Graf von Stauffenbergs, auch in den Rechtswissenschaften nachspüren, die Resultate des Wallstein-Bandes nicht mehr verarbeiten konnten. Dies macht sich besonders nachteilig in Robert E. Nortons knappen Notaten über "Das Geheime Deutschland und die Wissenschaft" bemerkbar. Über dieses Thema, das der Autor hier verschenkt, ist in einer für diesen Bücherherbst angekündigten Monographie des Hallenser Philosophen Manfred Riedel wohl "mehr Licht" zu erwarten.


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