© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/06 15. September 2006

Frisch gepresst

Koselleck. Der Anfang dieses Jahres verstorbene Historiker Reinhart Koselleck (JF 7/06) gilt weit über den Kreis der Fachkollegen hinaus als der "souveränste geschichtstheoretische Denker" seiner Generation. Darum hielt die Heidelberger Philosophische Fakultät es wohl für angemessen, sein goldenes Doktorjubiläum 2004 zum akademischen Ereignis zu machen. Zumal es nicht oft vorkommt, daß eine Dissertation, "Kritik und Krise", sein "Beitrag zur Pathogenese der bürgerlichen Welt", den der "klamme" Doktor 1954 zunächst nicht einmal in den Druck geben konnte, sieben Auflagen erlebt. Stefan Weinfurter hat die Lobreden des Festaktes in einem schmalen Bändchen versammelt, darunter Ivan Nagels Laudatio und den Dank des Geehrten (Reinhart Koselleck 1923-2006. Reden zum 50. Jahrestag seiner Promotion in Heidelberg, Universitätsverlag Winter, 67 Seiten, broschiert, Abbildungen, 8 Euro). Koselleck, wie Nagel betont, 1941 "Kriegsfreiwilliger für Deutschland" und in seinen letzten beiden Lebensjahrzehnten einer der radikalsten Disputanten im gedenkpolitischen Holocaust-Diskurs, namentlich im Streit um das Berliner Mahnmal, blieb es freilich nach soviel Heidelberger Harmonie nicht erspart, noch kurz vor seinem Tod, allen eigenen Bewältigungsmühen zum Trotz, als Anti-Aufklärer denunziert zu werden - im Schatten Carl Schmitts, dem die Dissertation über den "Aufstieg der Aufklärung" einiges verdankt.

Deutschland-Israel. Das Verhältnis Deutschlands zu Israel wird gerne als "schwierig" charakterisiert. Dabei gehört es zu den konstantesten Faktoren bundesdeutscher Außenpolitik von 1949 bis heute. Auf der anderen Seite hat die Entwicklung Israels - jenseits des Holocaust - starke Bindungen insbesondere wissenschaftlicher Prägung begünstigt, wie der Bonner Politologe Lothar Mertens in dem Sammelband "Deutschland und Israel" (Ausgewählte Aspekte eines schwierigen Verhältnisses. Duncker&Humblot, Berlin 2006, 219 Seiten, broschiert, 84 Euro) in seinem Beitrag "Akademische Jeckes" vorträgt. Neben der heute beinahe randständig erscheinenden Untersuchung über das "Nichtverhältnis" Israels zur DDR und Martin Klokes Beitrag zu seinem Spezialthema "Antisemitismus der Linken" wecken Martina Sassenbergs vorgestellte "Israel-Entwürfe" dreier Emigranten aus dem jüdisch-deutschen Bildungsbürgertum vor 1933 besonderes Interesse.


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