© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/06 22. September 2006

Bürgerliche Mehrheit
Schweden hat gewählt
Jörg Fischer

Einst galt das schwedische "Volksheim" als Vorbild sozialdemokratischer Wohlfahrtspolitik, in den neunziger Jahren der unter Göran Persson ausgelöste Wirtschaftsaufschwung.

Nun können bürgerliche Politiker neidisch nach Norden blikken, um zu lernen, wie man Wahlen gegen Rot-Rot-Grün gewinnt: Man nehme einen jungen, vom neoliberalen Saulus zum sozialkonservativen Paulus gewandelten Spitzenkandidaten (Fredrik John Reinfeldt), verbanne Schreckgespenster wie den Nato-Beitritt oder umfassende Privatisierungen verklausuliert ins Kleingedruckte und bilde eine Vier-Parteien-"Allianz für Schweden", die fast das gesamte bürgerliche Spektrum abdeckt.

Der Lohn waren 48,1 Prozent der Wählerstimmen - die Allianz hat künftig mit 178 von 349 Reichstagsmandaten eine Sieben-Sitze-Mehrheit. Die Erwartungen der Wähler an den künftigen Regierungschef Reinfeldt verdeutlichen die Einzelergebnisse: Dessen konservative Moderate Sammlungspartei steigerte sich von 15,2 (2002) auf 26,1 Prozent. Zweite Kraft in der Allianz wurde die grün-bäuerliche Zentrumspartei, die von 6,2 auf 7,9 Prozent zulegte. Abgestraft wurde die marktradikale Liberale Volkspartei, die vor der Wahl mit einer Spitzelaffäre Negativschlagzeilen machte (JF 38/06) - sie brach von 13,4 auf 7,5 Prozent ein. Die in den Freikirchen verankerten Christdemokraten sackten von 9,2 auf 6,6 Prozent ab.

Den Allianz-Sieg befördert hat - neben dem schlechten Abschneiden von Perssons Sozialdemokratischer Arbeiterpartei (35,2 statt 40 Prozent) - die Linkspartei. Die Postkommunisten wurden von 8,4 auf 5,8 Prozent dezimiert. Das Bekenntnis ihres neuen Parteichefs, Lars Ohly, weiterhin "Kommunist" zu sein, verschreckte wohl viele Wähler. Zudem nahm Ex-Parteichefin Gudrun Schyman mit der Feministischen Initiative (FI) ihren ehemaligen Genossen etwa ein Prozent ab. Einzig die grüne Umweltpartei, die zusammen mit der Linkspartei die Persson-Regierung tolerierte, gewann mit 5,2 statt 4,6 Prozent leicht hinzu.

Ein weiterer Grund für den Allianz-Sieg ist die Vier-Prozent-Hürde, die diesmal 5,7 Prozent der Stimmen wegretuschierte - darunter die linke EU-feindliche Juniliste oder die rechten Nationaldemokraten. Stärkste Kleinpartei sind aber weiterhin die von den Medien boykottierten und den Reichstagsparteien verteufelten rechten Schwedendemokraten (SD), die mit etwa zwei Prozent (statt 1,4) erneut einen Stimmengewinn verbuchen konnten. Daß die SD eigentlich mehr Potential haben, zeigt ihr Erfolg bei den gleichzeitig abgehaltenen Regional- und Kommunalwahlen. Hier steigerten Sie sich von 30 auf über 200 Mandate. Im Landtag von Skåne sind sie mit zehn Abgeordneten nun viertstärkste Partei.


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