© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/06 29. September 2006

Auf der Suche nach Sollbruchstellen
Parteien: Nach dem Wahlerfolg der NPD in Mecklenburg-Vorpommern halten die Gegner nach parteiinternen Schwachpunkten Ausschau
Peter Freitag

Nach dem Wahlerfolg der NPD in Mecklenburg-Vorpommern ist die Zeit des Schulterklopfens oder des Wundenleckens angebrochen - je nach politischem Standpunkt. In der Berliner Parteizentrale der Nationaldemokraten feiern die Köpfe der "Volksfront von rechts", Udo Voigt (NPD) und Gerhard Frey (DVU), die "Eroberung" einer neuen parlamentarischen Dependance.

Unterdessen beklagen die übrigen Parteien in Schwerin den Makel, der dadurch auf das Land und sie selbst falle. SPD-Landeschef Till Backhaus kündigte an, die NPD "entzaubern" zu wollen, und erwägt gleichzeitig, einen erneuten Anlauf zum Verbot dieser Partei zu unternehmen; ein Vorhaben, von dem sich seine Berliner Genossen schon längst verabschiedet haben und vor dem Experten nur warnen.

In einigen Berichten über die Nationaldemokraten im Norden werden bereits die Sollbruchstellen der Partei und ihres parlamentarischen Flügels erörtert. Dazu gehört, daß wie in Sachsen ein gewisses Ungleichgewicht zwischen der aus dem Westen stammenden Parteiführung und der autochthonen Basis besteht. Und auch innerhalb des Landesverbandes gibt es eine Ost-West-Differenz: Die Partei- und Fraktionsvorsitzenden Stefan Köster und Udo Pastörs (ursprünglich aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen stammend) haben ihren Wohnsitz in Westmecklenburg, im östlichen Vorpommern sind jedoch jene "freien Nationalisten" beheimatet, die eine Hauptlast des Wahlkampfs trugen und einen der Ihren, den Ueckermünder Tino Müller, in den Landtag entsenden; hier auch hat die NPD ihre größten Hochburgen, was die Zustimmung mit zweistelligen Ergebnissen an den Urnen betrifft. Mag die als Hauptgrund für die-se hohe Zustimmung für die NPD am häufigsten genannte hohe Arbeitslosigkeit in ostvorpommerschen Kreisen, die dort nahe der 30-Prozent-Marke liegt, mit ausschlaggebend sein, so ist der Wahlerfolg auch dem Wirken dieser "Kameradschaften" geschuldet, die einen starken Einfluß auf die jugendliche (Sub-)kultur ausüben. 15 Prozent der Erstwähler immerhin votierten für die NPD, die in dieser Gruppe (wie bei den Arbeitslosen) als politische Kraft an dritter Stelle rangiert, noch vor der Linkspartei. Vergleichbar dazu war die Lage in der Sächsischen Schweiz im Jahr 2004. Wie dort verdankte sich der Erfolg der Verwurzelung in einem bestimmten jugendlichen Milieu, das neben der Sorge um die eigene wirtschaftliche Zukunft auch eine Empfänglichkeit für "rechten" Stil auszeichnet. Nationaldemokratische Leitfiguren wie in Sachsen der kürzlich tödlich verunglückte Uwe Leichsenring vermochten es, diese Gruppen an die kulturell doch eher fernere Partei zu binden. In Mecklenburg-Vorpommern übernahm diese Funktion der ehemals parteiunabhängige Nationalist Thomas Wulff, der allerdings nicht über eine Leichsenring vergleichbare regionale Verwurzelung verfügt, da er aus dem Westen stammt.

Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich das Bündnis der "klassischen" Rechtspartei mit den sich offen nationalsozialistisch gebärdenden "Kameradschaften" im parlamentarischen Alltag bewährt. Ein weiterer interner Kritikpunkt, dem sich die Schweriner Fraktion stellen muß, könnte die "Fremdbestimmung" aus Sachsen werden. Sowohl in finanzieller als auch inhaltlicher und personeller Hinsicht hat der Erfolg im Norden einen südlicheren "Vater".

Zum einen hospitierten Pastörs und Köster vor dem Wahlkampf einige Zeit in Dresden, um ausreichend geschult zu werden für die parlamentarische Arbeit. Im Gegenzug absolvierten Angehörige und Mitarbeiter der sächsischen Fraktion Wahlauftritte in Mecklenburg-Vorpommern und steuerten manches zum Programm bei. Diese Einflußnahme scheint mit dem Wahltag jedoch nicht beendet zu sein und jetzt auch nicht mehr ohne Knirschen zu funktionieren. Unmittelbar nach dem Wahlsonntag wählte die Schweriner NPD-Fraktion den Parteivorsitzenden Stefan Köster zum Parlamentarischen Geschäftsführer. Wenig später vermeldeten die Kollegen aus Dresden neben einer Gratulation an die "Kameraden", daß ihr Fraktionsgeschäftsführer Peter Marx nach Schwerin wechseln werde. Fraktionschef Holger Apfel wörtlich: "Ich beglückwünsche die NPD-Abgeordneten in Mecklenburg-Vorpommern zur Berufung von Peter Marx als Fraktionsgeschäftsführer. Er wird ihnen beim Aufbau der Strukturen und bei der Organisation der parlamentarischen Arbeit eine große Hilfe sein."

Marx hat in der Tat die Kenntnisse über Tricks und Kniffe in der parlamentarischer Alltagsarbeit. Er gilt als eine Art "Handlungsreisender" in Sachen NPD. Vom Saarland aus, wo er Landesvorsitzender wurde und ein kommunales Mandat innehatte, unterstützte er die Parteifreunde in Darmstadt, managte den Wahlkampf und die Fraktionsarbeit in Sachsen. Ebenso trat er bei der Wahl des Leipziger Oberbürgermeisters an und spielte in allen weiteren Wahlkämpfen die Rolle des "Strippenziehers".

Doch die "graue Eminenz" Marx hat neben Neidern auch innerparteiliche Widersacher, die ihm immer wieder unterstellen, ein Spitzel des Verfassungsschutzes zu sein und denen seine Mitwirkung im Minderheiten-Arbeitskreis "Christen in der NPD" nicht schmeckt. Während auf der einen Seite die Einbindung von Marx als hilfreiche (und notwendige) Kompetenz von außen begründet und gelobt wird, sehen Skeptiker darin eine "Arbeitsplatzverlängerung" für den Saarländer; denn dessen bezahlter Posten könnte in Dresden sowieso beendet sein, wenn in zwei Jahren die NPD dort den Wiedereinzug in den Landtag verpassen sollte.

Foto: Udo Voigt, Gerhard Frey, Udo Pastörs (v.l.n.r.) vergangene Woche in Berlin: Deutschland-Pakt


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