© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/06 29. September 2006

Rot ist immer mit dabei
Farbenspiel: In Berlin und Mecklenburg-Vorpommern haben die Sozialdemokraten die Qual der Wahl / CDU-Spitzenkandidat sorgt sich um Feriengäste
Josef Hämmerling

Hoffnung auf etwas weniger rote Politik in Berlin, Winkelzüge in Mecklenburg-Vorpommern - so könnte man die neuesten Tendenzen nach den Abgeordnetenhaus- beziehungsweise Landtagswahlen in beiden Bundesländern bezeichnen.

Klaus Wowereit kann sich freuen. Wird der Regierende Bürgermeister von Berlin ohnehin schon als einer der heißesten Anwärter auf die nächste Kanzlerkandidatur der Sozialdemokraten gehandelt, könnte er mit einer erfolgreichen rot-grünen Koalition noch stärker die Weichen für einen Wechsel in Kanzleramt stellen.

Die Berliner Grünen zeigten sich vor dem in diesen Tagen anstehenden zweiten Sondierungsgespräch jedenfalls optimistisch. Ihr Fraktionschef Volker Ratzmann hat sich dafür ausgesprochen, "bis zum Ende der Woche Klarheit zu schaffen". Anders als die Linkspartei, die erst auf einem Sonderparteitag entscheiden will, ob Koalitionsverhandlungen mit der SPD für die Fortsetzung des Regierungsbündnisses überhaupt möglich seien, seien die Grünen bereit, "schnell in Koalitionsverhandlungen einzutreten", sagte Ratzmann.

Da Linkspartei und Grüne jeweils mit 23 Stimmen im Senat vertreten sind, kämen beide Koalitionen mit den 53 Stimmen der Sozialdemokraten auf eine Mehrheit von drei Stimmen gegenüber CDU (37 Sitze), FDP (13 Sitze) und Linkspartei beziehungsweise Grünen.

Zwar erscheint eine Mehrheit von drei Stimmen recht stabil, angesichts der ersten Absetzbewegungen der FDP von ihrer vor der Bundestagswahl getätigten Koalitionsaussage für die CDU könnte eine Einbeziehung der Liberalen in das Berliner Bündnis aber bundesweit ein Zeichen setzen. Erst am Wochenende hatte der FDP-Vize Rainer Brüderle derartige Diskussionen geschürt. Gegenüber dem Spiegel sagte Brüderle, wenn Beck es schaffe, die Sozialdemokraten "auf seinen pragmatischen und bürgernahen Kurs zu bringen", dann könne eine sozial-liberale Koalition mit einem Kanzler Beck "etwas zustande bringen".

Wahrscheinlicher erscheint derzeit aber eine rot-grüne Koalition in Berlin, verbunden allerdings mit einer großen Rücksichtnahme auf die FDP. Größter Verlierer ist die Linkspartei, die vor allem an der Realpolitik scheiterte, die sie im vergangenen Senat als Regierungspartei machen mußte. Denn dies bedeutete eine radikale Abkehr von den Maximalpositionen, mit denen die PDS 2001 noch 22,6 Prozent der Stimmen holen konnte und damit nur knapp hinter der CDU mit 23,8 Prozent drittstärkste Partei wurde.

Eine ähnliche Konstellation zeichnet sich in Mecklenburg-Vorpommern ab. Zwar kämen SPD und Linkspartei mit 76 Stimmen auf eine hauchdünne Mehrheit von einer Stimme gegenüber CDU, FDP und NPD.

Doch angesichts der negativen Erfahrungen mit der damaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin Heide Simonis, die im März des vergangenen Jahres trotz einer Stimme Mehrheit von Rot-Grün in vier Wahlgängen nicht gewählt wurde, erscheint es unwahrscheinlich, daß Ministerpräsident Harald Ringstorff dieses beträchtliche Risiko eingehen wird. Denn die damaligen Niederlagen Simonis' führten zu einem Regierungswechsel im nördlichen deutschen Bundesland.

Da die SPD aus den oben beschriebenen Gründen derzeit an einem möglichst guten Verhältnis zu den Liberalen interessiert ist, gehen viele Beobachter von einer sogenannten "Spanienkoalition" aus SPD, Linkspartei und FDP aus. Wie sich dabei allerdings die total entgegensätzlichen Positionen der Linkspartei und der FDP unter einen Hut bringen lassen sollen, dürfte sehr interessant werden.

Schwer tun sich die Politiker mit dem Erfolg der NPD. Der Landesvorsitzende und Spitzenkandidat der CDU, Jürgen Seidel, warnte in der Welt bereits davor, daß damit zu rechnen sei, daß nach dem NPD-Erfolg "viele Menschen dies zum Anlaß nehmen, um nicht mehr zu uns nach Mecklenburg-Vorpommern zu kommen". Auch in Sachsen waren nach dem Wahlerfolg der NPD ähnlicher Aussagen zu hören - bewahrheitet haben sie sich nicht.


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