© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/06 29. September 2006

Frisch gepresst

Deutsch-Deutsches. Jene britischen Lehrer, denen während der Fußball-WM 2006 auf Steuerzahlers Kosten hierzulande ein Bildungsurlaub finanziert wurde, damit sie endlich auf der Insel ihren Zöglingen ein NS-freien Deutschlandbild vermitteln können, erfüllten die Erwartungen ihrer Gastgeber nicht. Zurückgekehrt bekundeten sie, deutsche Nachkriegsgeschichte sei nun einmal schwierig zu unterrichten, da bleibe man lieber bei den "Nazis", die seien "sexy", und im übrigen fänden "die Kids" das Dritte Reich einfach "unterhaltsamer", weil da "mehr passiere". Albions Pädagogen, deren Reiseerfahrungen uns Matthias Matussek überliefert (Merkur, 9-10/06), kann nur mit Mühe widersprechen, wer einen Blick in den von Günther Heydemann und Eckhard Jesse edierten Sammelband "15 Jahre deutsche Einheit. Deutsch-deutsche Begegnungen, deutsch-deutsche Beziehungen" (Duncker&Humblot, Berlin 2006, 377 Seiten, broschiert, 98 Euro) wirft. Die von Jesse gerafft präsentierte "Beziehungsgeschichte" zwischen Bonn und Ost-Berlin ist nun einmal so ereignisarm, daß ihre Darstellung schnell Ermüdungseffekte zeitigt. Immerhin gab es auch Spannungsmomente wie Florian Hartlebs Beitrag über die "Unterwanderungsversuche" in der westdeutschen Friedensbewegung zeigt, aber die waren rar. Was Arnulf Barings enthusiastisches atlantisches Bekenntnis ("Deutschlands Fundament - die USA") in diesem Kontext verloren hat, bleibt indes unklar.

 

Dialoge statt Gewalt. Fast könnte man mit dem israelischen Psychologen Dan Bar-On Mitleid haben. Von der aktuellen Lage in Gaza oder im Libanon zu den Dialogen der Verständigung, die auch vor historischer Aufarbeitung nicht haltmacht, scheint seine "aktualisierte Neuauflage" der bereits 2001 erschienenen Arbeit über den "Dialog als Modell der interkulturellen Konfliktbewältigung" ebenso viele Lichtjahre entfernt zu sein wie seine Seminare an der Ben-Gurion-Universität in Beer-Sheva von den Sprengstoffgürtelträgern in den Lagern der Hisbollah. Zumindest beweist Ban-On seine nicht vorhandene Scheu vor jeder Sisyphos-Arbeit (Dan Bar-On: Die "Anderen" in uns. Edition Körber-Stiftung, Hamburg 2006, broschiert, 260 Seiten, 14 Euro).

 

Bürgergesellschaft. "Wer wissen will, ob wir mit unserem Grundgesetz richtig liegen, sollte die historische Entwicklung des Staatsgedankens kennen." So salopp formuliert der Klappentext die Aufgabe, die sich der Verleger und Publizist Klaus Poller gestellt hat, um in einer langen, zitatenfrohen Zeitreise durch die abendländische Ideengeschichte die Wurzeln der bundesdeutschen Werteordnung freizulegen. Der "Gleichheitsutopie" versucht Poller dabei, "die Idee von der freiheitlichen Bürgergesellschaft" entgegenzusetzen (Frei sein und dienen. Der Weg zur freiheitlichen Bürgergesellschaft, Olzog Verlag, München 2006, gebunden, 315 Seiten, 29,90 Euro).

 

Totenkopfreiter. In letzter Minute kam 1944 ein launig geschriebener Bildband über die "SS-Kavallerie im Osten" heraus, der heute antiquarisch kaum noch aufzutreiben ist. Dieses nahezu verschollene Werk ist jetzt im Neudruck wieder zugänglich (SS-Kavallerie im Osten. Vom 1. SS-Totenkopf-Reiterregiment zur SS-Reiter-Brigade Fegelein, Arndt Verlag, Kiel 2006, gebunden, 208 Seiten, Abbildungen, 39,95 Euro). Der Verlag schreibt in einer Vorbemerkung, daß solche "Originaldokumente" wohl "unmittelbar den Hauch der Geschichte" spüren ließen, was zur "staatsbürgerlichen Aufklärung" beitrage. Das zeugt zumindest von einem beneidenswert naiven Vertrauen in den "Wahrheitsgehalt" von "Quellen". Um nur dies zu erwähnen: Die zahlreichen Bildtexte, die Hermann Fegeleins Mannen bei der "Bandenbekämpfung" zeigen, könnten im Hause Reemtsma recht mühelos anhand mindestens ebenso "authentischer" Quellen schlicht als "Völkermord" interpretiert werden.


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