© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/06 13. Oktober 2006

Kolumne
Kanzlerin ohne Macht
Bruno Bandulet

Nachdem das US-Magazin Forbes kürzlich Angela Merkel zur mächtigsten Frau der Welt gekürt hat, muß man sich fragen, ob sich die Amerikaner nicht vielleicht einen Scherz erlaubt haben. Daß Merkel selbst in Berlin ziemlich ohnmächtig ist, wurde jetzt wieder deutlich am Beispiel der verunglückten Krankenkassenreform, die im unsäglichen deutschen Politsprech als Reform der Gesundheit (!) ausgegeben wird. Daß diese Regierung außer Steuererhöhungen nichts zustande bringt, ist allerdings nicht Merkels Schuld. Würde sie ihre Richtlinienkompetenz wahrnehmen, anstatt nur die Moderatorin zu spielen, dann riskierte sie das Ende der Koalition und ihrer Kanzlerschaft. Daß Merkel in den auswärtigen Beziehungen Macht ausübt, kann man ebensowenig behaupten. Dazu würde zumindest die Fähigkeit gehören, Nein zu sagen, wenn Berlin wieder einmal zahlen oder Truppen entsenden soll. In Wahrheit ist der Entscheidungsspielraum, den sich die deutsche Außenpolitik genehmigt, minimal.

Wenn Angela Merkel die mächtigste Frau der Welt wäre, müßte sie nicht das Plazet von Präsident Bush einholen, bevor sie Putin und Chirac trifft. Dann würde sie die Bundeswehr aus Afghanistan abziehen, bevor diese sinnlose Intervention in einen asiatischen Bürgerkrieg noch mehr deutsche Opfer fordert. Dann hätte sie keine Bundesmarine in Richtung Libanon geschickt, weil damit der erste Schritt zur Verwicklung in den nächsten Nahost-Krieg getan wurde.

Wenn Merkel Macht hätte, würde sie den EU-Beitritt der Türkei blockieren, den sie aus guten Gründen noch im Wahlkampf abgelehnt hat, und auch der von Washington betriebenen, für Moskau provozierenden Aufnahme Georgiens in die Nato widersprechen.

Daß sie das alles nicht will und vor allem nicht kann, daß Berlin gehorcht, anstatt einen eigenen Platz in der entstehenden multipolaren Weltordnung zu suchen, ist freilich eine Hinterlassenschaft vorheriger Regierungen. Auch Schröders Ansätze zur Eigenständigkeit waren mehr verbal als konzeptionell. Er erkaufte sich die deutsche Abstinenz im Irak-Krieg mit dem Engagement in Afghanistan. Heute ist die Nato ein reiner Dienstleistungsbetrieb der amerikanischen Weltpolitik. Von einer eigenständigen europäischen Außenpolitik kann ebensowenig die Rede sein wie von einer deutschen. Dem entspricht die intellektuelle Dürftigkeit außenpolitischer Debatten im Deutschen Bundestag. Daß die Partei Adenauers keinen einzigen Außenpolitiker von Format mehr vorweisen kann, ist kein Zufall. Wozu auch?

 

Dr. Bruno Bandulet ist Herausgeber des DeutschlandBriefes und des Finanzdienstes G&M.


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