© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/06 13. Oktober 2006

Noch ist Stoiber die Nummer eins
CSU I: Sinkende Umfragewerte für den "Störenfried" der Großen Koalition / Rivalen sind nicht in Sicht / Parteitag in Augsburg
Paul Rosen

Die Bayern wollen ihren Edmund nicht mehr. In einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap sprachen sich 57 Prozent der Befragten gegen eine erneute Kandidatur von Ministerpräsident Edmund Stoiber bei den Landtagswahlen 2008 aus. Außerdem sackte die CSU bei der Sonntagsfrage erstmals seit Stoibers Rückzug aus Berlin im vergangenen Jahr wieder unter 50 Prozent (49 Prozent). In der CSU-Zentrale und in der Münchener Staatskanzlei schrillten die Alarmsirenen. Der Merkel-Malus (bundesweit liegt die Union nur noch bei 30 Prozent) macht auch vor Bayern nicht halt.

Eine Erklärung war in München schnell gefunden: "Derzeit überlagern die Bundespolitik und vor allem die Gesundheitsreform alle anderen Themen", sagte CSU-Generalsekretär Markus Söder. Bei der Analyse der jüngsten Zahlen stießen die CSU-Strategen auf Überraschendes: In der Vergangenheit lag die CSU in Landesumfragen zumeist 15 Prozentpunkte über dem Bundes-trend der Union. Doch die Zahlen für die CDU sind stärker zurückgegangen als für die Bayern, so daß der Abstand jetzt bei knapp 20 Prozentpunkten liegt (CDU bundesweit bei 30, CSU landesweit bei 49 Prozent). Daraus folgert die CSU, daß sie dank Stoiber und der erfolgreichen Landespolitik weniger abgestraft wurde als die große Schwesterpartei in Berlin.

Nach nicht einmal einem Jahr in der Großen Koalition hat die CSU ihre Strategie in dem Regierungsbündnis geändert. Waren die Bayern bisher treuer und stabilisierender Partner für CDU und SPD, so werden jetzt begrenzte Konflikte geführt. Das beste Beispiel war die Gesundheitsreform. Obwohl Stoiber die Eckpunkte mit unterschrieben hatte, wäre er bei den Schlußverhandlungen am liebsten ganz ausgestiegen und hätte Angela Merkels Lieblingsprojekt platzen lassen. Doch das konnte er gegen die Kanzlerin nicht riskieren. Folglich kam es zu einer Vertagung des Fonds auf 2009. Da Stoiber und seine Mitstreiter nicht davon ausgehen, daß die Koalition bis 2009 halten wird, kommt die Verschiebung einem Todesstoß gleich.

Für Stoiber sind das gute Vorzeichen für den an diesem Freitag beginnenden CSU-Parteitag in Augsburg. An der Parteibasis ist die Gesundheitsreform verhaßt. Er könne die Reform seinen Delegierten kaum erklären, hatte Stoiber mehrfach in den Koalitionsgesprächen gesagt. Und obwohl der Fonds auf 2009 verschoben wurde, ließ Stoiber seine endgültige Zustimmung offen. Er wolle erst den genauen Gesetzestext sehen.

In seiner bekannt flexiblen Art lobte Stoiber auf der Landesversammlung seiner Union den gefundenen Kompromiß zur Gesundheitsreform, die er vorher total verwässert hatte: "Ich vertrete diesen Kompromiß, weil er uns bei aller Kritik weiter führt als das, was wir haben." Er sei auch kein "Störenfried", versicherte Stoiber, obwohl genau das seine neue Rolle am Berliner Koali- tionstisch ist.

Trotz der für ihn schlechten Umfragewerte ist Stoiber in der CSU nach wie vor die Nummer eins. Vor dem Parteitag meldete sich nur der Kreisvorsitzende der CSU Frankenwald, Joachim Doppel, zu Wort, der Stoibers baldigen Rücktritt forderte. Alle anderen Parteifunktionäre schwiegen oder solidarisierten sich mit ihrem Chef. Der Ende September 65 Jahre alt gewordene Stoiber will auf jeden Fall im nächsten Jahr wieder als Parteivorsitzender antreten und 2008 bei den Landtagswahlen erneut Spitzenkandidat sein. Die schlechten Umfragen werden in Stoibers Umgebung nur als temporäres Problem angesehen.

Rivalen für den Bayern-Chef sind weit und breit nicht in Sicht. Seine potentiellen Nachfolger Erwin Huber und Günther Beckstein wurden im Zuge der im letzten Herbst geführten Nachfolgediskussion politisch verbrannt. Landwirtschaftsminister Horst Seehofer wäre sicher geeignet, hat aber zu wenig Truppen hinter sich.

Es bleibt nur der Fraktionsvorsitzende im Landtag, Joachim Herrmann (siehe Artikel auf dieser Seite). Der dürfte kein Interesse haben, Stoiber vor der Landtagswahl 2008 abzulösen. Denn kein Spitzenkandidat - auch Stoiber nicht - dürfte wieder eine Zweidrittelmehrheit erreichen. Die Stimmenverlust will Herrmann Stoiber überlassen und dessen Nachfolge frühestens 2009 oder 2010 antreten.


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