© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/06 20. Oktober 2006

Kein Platz an den Fleischtöpfen
Staatliche Förderung: Politische Initiativen gegen Linksextremismus und Islamismus gehen leer aus / Familienministerium arbeitet neue Richtlinien aus
Ekkehard Schultz

Entgegen den ursprünglichen Koalitionsvereinbarungen der schwarz-roten Bundesregierung wird es im kommenden Jahr neben der Förderung von Projekten gegen Rechtsextremismus keine Förderung von Projekten gegen Linksextremismus sowie gegen politischen Islamismus geben. Dies teilte auf Anfrage das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend mit. Momentan werden dort die Richtlinien für ein modifiziertes "Aktionsprogramm zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie" erarbeitet, welches ab 1. Januar 2007 in Kraft treten soll.

Noch zu Beginn dieses Jahres hatten sich die Unionsparteien mehrfach eindeutig gegen die Fortsetzung der bisherigen einseitigen Förderungskriterien ausgesprochen, die 2000 von der rot-grünen Bundesregierung erarbeitet worden waren. Zur Begründung der Notwendigkeit, sich allen Gefährdungen der Demokratie unabhängig von der konkreten politischen Ausrichtung zu widmen, wurde unter anderem verwiesen auf die öffentliche Verhöhnung von Opfern der kommunistischen Gewaltherrschaft durch ehemalige Offiziere der DDR-Staatssicherheit auf einer Diskussionsveranstaltung in Berlin-Lichtenberg im März dieses Jahres, den Anstieg von politischen Gewalttaten durch Linksextremisten sowie das deutliche Anwachsen von Einstellungen, welche die Verbrechen kommunistischer Systeme beziehungsweise diese Systeme an sich verharmlosen. Ebenso wurde mehrfach die stärkere Auseinandersetzung mit dem politischen Islamismus gefordert, welcher die Werte des Grundgesetzes entscheidend negiert.

Doch bereits am 1. Mai 2006 einigten sich die Koalitionsparteien mit Blick auf "die Wahlergebnisse rechtsextremer Parteien sowie neuere Studien, Berichte aus der pädagogischen Praxis" und den Verfassungsschutzbericht 2005 auf die Richtlinie, nach welcher "der Rechtsextremismus eine besonders ernstzunehmende Gefahr für unsere Demokratie darstellt, der es vordringlich zu entgegnen gilt".

Förderung sollte Ende des Jahres auslaufen

In Reaktion auf diese Einschätzung wurden die ursprünglichen Planungen dementsprechend "modifiziert", daß schließlich auf die Einbeziehung "anderer Formen des Extremismus, wie Linksextremismus und Islamismus" verzichtet worden sei, so das Familienministerium. Die ursprüngliche Absicht, Programme zu erstellen, die allen Gefährdungen der Demokratie Rechnung tragen, stand seit Beginn des Jahres unter starker Kritik von Bundestagsabgeordneten der Grünen, der Linkspartei sowie der SPD. So sagte etwa Monika Lazar (Grüne), die gleichberechtigte Förderung von Projekten gegen Linksextremismus sei "vollkommen unverhältnismäßig" und trage "den realen Gefährdungen der demokratischen Gesellschaft, die eindeutig von Rechtsextremisten ausgehen", nicht ausreichend Rechnung.

Lazar äußerte zudem die Befürchtung, daß zugunsten der Förderung von Projekten gegen Linksextremismus und Islamismus "verdiente bürgerschaftliche Initiativen gegen Rechtsextremismus auf der Strecke bleiben" könnten. Auch die Abgeordneten Sebastian Edathy und Niels Annen (beide SPD) betonten, daß "Rechtsextremismus das aktuelle gesellschaftliche Problem Nummer eins" und die Gegenüberstellung mit anderen Gefährdungen der Demokratie daher "problematisch" sei.

Auf Kritik der Initiativen und bei Vertretern der Parteien des linken Spektrums stieß zudem, daß die neuen Förderrichtlinien vorsahen, nicht wie bisher Trägervereinen und lokalen Institutionen das Recht einzuräumen, Gelder zu beantragen, sondern nur die Kommunen selbst. Diese Vergabepraxis sei "grotesk", schrieb dazu etwa das Netzwerk für demokratische Kultur (NdK) im sächsischen Wurzen. "Viele Kommunen sind selbst Teil des Problems", so das NdK.

Ursprünglich war bei der Installierung der Förderprogramme gegen Rechtsextremismus durch die rot-grüne Bundesregierung im Jahre 2000 festgestellt worden, daß aus rechtlichen Gründen eine Finanzierung durch den Bund auf maximal fünf Jahre begrenzt und daher eine Fortsetzung in der bestehenden Form ausgeschlossen sei. Doch nach zahlreichen Protesten von Initiativen wurde diese Regelung durch die Verlängerung aller laufenden Projekte um ein halbes Jahr außer Kraft gesetzt: Statt am 31. Dezember 2006 laufen sie nun erst am 30. Juni 2007 aus und erhalten somit eine Anschlußfinanzierung. Auch eine Fortsetzung der Alimentierung der bereits über fünf Jahre von den Geldern des Bundes profitierenden Projekte über dieses Datum hinaus ist nun nicht mehr ausgeschlossen.

Mehrfach wurde von einzelnen Abgeordneten der Unionsparteien im Bundestag im Hinblick auf die alten Programme kritisiert, daß von der alten Förderung auch Institutionen und Personen profitierten, die deutliche Berührungspunkte zum linksextremistischen und antidemokratischen Spektrum erkennen ließen oder selbst in den Verfassungsschutzberichten des Bundes und der Länder aufgeführt wurden, so beispielsweise lokale "Antifa"-Verbände. Ohne
nähere Prüfung wurden auch Internetplattformen wie Hagalil unterstützt, die neben der Wiedergabe seriöser Informationen über jüdisches Leben in Deutschland und Europa immer wieder durch die unkritische Übernahme von Artikeln aus der äußerst linken Presse, etwa der Jungle World auffiel. Eine konkrete Prüfung der Wirksamkeit einzelner Maßnahmen und der Zweckmäßigkeit des Einsatzes der beantragten Mittel ist jedoch bis heute nicht erfolgt.

Die momentan noch im Prozeß der Regierungsbildung befindliche rot-rote Koalition in Berlin verständigte sich bereits darauf, ihr Landesprogramm gegen Rechtsextremismus in vollem Umfang auch in der künftigen Legislaturperiode zu finanzieren, wie der Landeschef der Linkspartei, Klaus Lederer, mitteilte.

Die Förderung von Projekten und Initiativen, die sich gegen Linksextremismus und politischen Islamismus einsetzen, ist dagegen nicht vorgesehen. Statt dessen wird eine Aufstockung der Mittel gegen Rechtsextremismus zugunsten von Initiativen nicht ausgeschlossen, die eventuell aus dem Förderprogramm des Bundesfamilienministeriums herausfallen könnten.


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