© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/06 20. Oktober 2006

Neuer Platz der Stille
Ungarn: Gedenken an den Volksaufstand von 1956
Ivan Denes

Der 23. Oktober ist ein geschichtsträchtiger Tag in Ungarn. 1989 wurde der belastete kommunistische Name "Volksrepublik" gestrichen und die dritte ungarische Republik ausgerufen. Der ursprüngliche Grund, daß dieser Tag seither ungarischer Nationalfeiertag ist, liegt ein halbes Jahrhundert zurück: Am 23. Oktober 195a6 begann der Volksaufstand gegen die KP-Diktatur und die sowjetische Besatzung.

Über den Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der antikommunistischen Revolution liegt aber ein Schatten. Anlaß ist die "Lügen"-Rede von Ferenc Gyurcsány (JF 40/06). Vertreter der bürgerlich-rechten Opposition lehnen es ab, an Veranstaltungen teilzunehmen, auf denen der sozialistische Ministerpräsident das Wort ergreift.

Schon am 20. Oktober werden noch überlebende alte Kämpfer mit der Gedenkmedaille "Held der Freiheit" ausgezeichnet. Am 21. Oktober wird das "Offene Museum" eingeweiht: an verschiedenen Punkten Budapests, an denen 1956 Massenversammlungen stattgefunden haben, finden künstlerische Veranstaltungen statt. Gleichzeitig wird auch des polnischen Aufstandes in Posen gedacht, der auch einen Anstoß für den Aufstand der Ungarn gegeben hatte. Am 22. Oktober wird eine Dauerausstellung im Museum für Kriegsgeschichte eröffnet, die dem Andenken der über zweitausend Toten und den Hunderten später Hingerichteten gewidmet ist. Am 23. Oktober wird im Parlament die "Freiheitserklärung Budapest '56" verabschiedet.

Am Abend wird dann auf dem Paradeplatz (Felvonulási tér, wo einst die Stalin-Statue stand) das große zentrale Denkmal für die Helden und Opfer von 1956 enthüllt (www.19562006.hu). Es ist das Werk einer ungarischen Künstlergruppe, die 2005 unter dem Namen "I-Ypszilon" den Wettbewerb für das Kunstwerk gewonnen hatte. Am Rande des Stadtparks (Város liget) gelegen, geht das Monument von einem "Platz der Stille" aus, von dem sich menschengroße, verrostete Eisensäulen keilartig aneinanderreihen. Bis zu einem Drittel seiner Gesamtlänge ist das Denkmal betretbar. Entlang seiner Achse werden die 2006 Säulen immer höher, immer dichter und immer heller, bis am Ende des riesigen Keils ein acht Meter hoher Block aus Edelstahl steht.

Das Denkmal beschwört jenen Augenblick, in dem die ganze ungarische Nation alle persönlichen Grenzen durchbrach und sich als einheitlicher Wille zum Ideal der Freiheit bekannte.


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