© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/06 27. Oktober 2006

Aufgeschnappt
Teure Geschmacksfragen
Matthias Bäkermann

Dem Frost sei Dank. Die Büste des langjährigen Stadtpräsidenten von Neumünster, Helmut Loose (SPD), die private Stifter nach dessen Tod 2003 beim lokalen Künstler Peter Schultz in Auftrag gegeben und der Stadt dediziert haben, entsprach so gar nicht dem Geschmack seiner Angehörigen und den (Partei)-Freunden im Stadtrat. So war denn wohl niemand richtig traurig, als die ungeliebte Beton-Büste im Frühjahr durch Frostschäden von der Stele fiel.

Statt aber die Büste wiederzuerrichten, verschwand sie knapp ein Jahr nach ihrer Einweihung auf dem neuen Helmut-Loose-Platz im Atelier, der Sockel wurde gleich mit abgeräumt. Wie Stephan Beitz, Sprecher der Stadt Neumünster, mitteilt, wird Anfang November eine ganz neue Büste an gleicher Stelle errichtet. Diesmal hat man die Sache gleich in professionellen Händen gelassen und eine Büste aus Bronze beim namhaften Rendsburger Bildhauer Manfred Sihle-Wissel in Auftrag gegeben, den Sockel fertigt ein Steinmetzbetrieb aus Dänemark. Da der dem 18 Jahre regierenden Kommunalpolitiker gewidmete Platz nun sowieso mit größeren Baumaßnahmen umgestaltet wird, wie Beitz treuherzig einräumt, wurde über das 10.000 Euro teure Repräsentationsobjekt aus Bronze im Rat gar nicht erst abgestimmt. "Die Gelder waren für das Projekt ohnehin im Etat vorgesehen." Mit dieser Strategie haben die holsteinischen Schlitzohren gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Erstens hat man jeden Streit über die Mittelvergabe im Stadtrat schlau vermieden, und zweitens entgeht die Steuergeldverschwendung vielleicht dem nächsten "Schwarzbuch" des Bundes der Steuerzahler für das laufende Jahr 2006. So macht Personenkult wieder Spaß.


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