© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/06 03. November 2006

Kriegerische Posen haben Amerika nicht sicherer gemacht
US-Außenpolitik: Weder der Iran noch Nordkorea stellen eine ernsthafte Gefahr für die USA dar / Uno-Sanktionen nützen nichts
Pat Buchanan

Vom 11. September 2001 bis zu seiner Rede zum Zustand der Nation am 29. Januar 2002 stand Amerika hinter George W. Bush. Doch mit dieser Rede vermasselte er es. Der Präsident benannte den Iran, den Irak und Nordkorea als Staaten, die den Terrorismus finanzierten und Massenvernichtungswaffen anstrebten, verkoppelte sie zu einer "Achse des Bösen" und stellte ihnen ein Ultimatum: "Ich werde die Ereignisse nicht abwarten, während sich Gefahr zusammenbraut. Ich werde nicht tatenlos zusehen, wie die Gefahr immer näher kommt. Die USA werden nicht zulassen, daß die gefährlichsten Regime der Welt uns mit den zerstörerischsten Waffen der Welt bedrohen."

Neokonservative begrüßten diese Kriegslüsternheit, die ihnen neo-churchillianisch schien. Doch bewirkte sie lediglich einen Bruch der innen- und außenpolitischen Koalitionen, die sich hinter Bush gebildet hatten. Wie einige von uns damals schrieben, war es absurd, Iran und Irak - Todfeinde in dem Krieg, der von 1980 bis 1988 eine Million Menschenleben kostete - als "Achse" zu bezeichnen.

Bushs Rede war ein Schnitzer, wie man ihn sich gröber nicht vorstellen kann. Zum einen hatte er keinerlei Vollmacht, einen dieser Staaten anzugreifen, da der Kongreß keine Kriegserklärung abgesegnet hatte. Zweitens hatte er weder Pläne noch entsprechend stationierte Streitkräfte dafür. Und dennoch hatte er allen drei Staaten mitgeteilt, daß er dies vorhatte. Als die USA im Irak einmarschierten, verstanden Iran und Nordkorea die Botschaft. Beide trieben ihre Atomprogramme voran.

Mit seinen öffentlichen Ultimaten ließ Bush diesen Regimen keine andere Wahl. Schließlich war vor nicht allzu langer Zeit selbst das winzige Serbien der Ansicht, seine nationale Ehre erfordere es, sich nicht kampflos einem US-Ultimatum zu ergeben, die Nato durch sein Gebiet marschieren zu lassen, um den Kosovo zu besetzen.

Ende der US-"Regimewechel"-Politik ist längst überfällig

Nun hat Kim Jong-il offen der Bush-Doktrin getrotzt - selbst wenn sein Test der Taepodong-2-Rakete am 4. Juli nur ein Feuerwerk zum amerikanischen Unabhängigkeitstag war und seine Plutoniumbombe fehlzündete. Wenn man so will, ist das übelste Regime der Welt im Besitz der übelsten Waffe der Welt. Bushs Antwort? Er ging vor die Uno, um für Sanktionen zu plädieren.

Werden die Sanktionen etwas nützen? Warum sollten sie? Wie Tony Blankley in seiner Washington Times-Kolumne festhält, handelt es sich hier um ein Regime, das zuließ, daß Millionen seiner Bürger verhungerten, um seine Isolation und ideologische Reinheit zu gewährleisten. Die Grausamkeiten, die das Einsiedlerreich den eigenen Menschen zumutet, um sicherzustellen, daß Amerika nicht in Versuchung gerät anzugreifen, sind frappierend. Dies ist kein Verein, der seine Atombombe für BMWs preisgibt.

Dank Präsident Bushs Aufspielerei stehen die USA derzeit dem Iran und Nordkorea im Streit um deren Atomprogramme Auge in Auge gegenüber, und keines dieser Regime scheint bereit, als erster mit der Wimper zu zucken.

Steuern wir wie schon im Balkan und im Irak wieder auf noch größere und noch blutigere Kriege zu? So muß es nicht kommen, und zwar aus sehr einfachen Gründen. Weder der Iran noch Nordkorea könnten einen vollen Krieg mit den USA überleben, und keiner der beiden Staaten hat die rote Linie zu einem solchen Krieg überschritten.

Was wollen diese Staaten, und kann Amerika ihnen entgegenkommen, ohne unsere Sicherheit zu gefährden oder einen unerträglichen Verlust an strategischer Glaubwürdigkeit hinzunehmen? Nordkorea will, was Richard Nixon Mao Zedong in den siebziger Jahren gab: Anerkennung, Sicherheitsgarantien, Hilfe, Aufnahme in die internationale Gemeinschaft und eine Beendung der US-"Regimewechsel"-Politik.

Was will Amerika von Nordkorea? Keine weiteren Atomtests, die Rückkehr von Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde in sämtliche nordkoreanische Nuklearanlagen und keinen Export von Nuklearmaterial an Feindstaaten oder nichtstaatliche Akteure, die nukleare Sprengkörper zu Zwecken des Terrorismus, der Massenvernichtung oder der Erpressung verwenden könnten.

Die Sechs-Parteien-Gespräche sind gescheitert. Nordkorea hat amerikanische Angebote ausgeschlagen und amerikanische Forderungen abgelehnt, und Südkorea und China haben sich geweigert, ihren Einfluß einzusetzen, um uns Rückendeckung zu geben. Wenn Peking und Seoul ihr eigenes Spiel mit Pjöngjang spielen wollen, sollten wir es ihnen gleichtun.

Wir sollten direkte Verhandlungen mit dem Norden aufnehmen und ihn warnen, daß jeglicher Export eines nuklearen Sprengkörpers an ein feindliches Regime das Risiko eines Angriffs seitens der USA birgt, und daß eine irgendwo auf der Welt gegen Amerikaner eingesetzte Nuklearwaffe, deren Ursprung sich nach Nordkorea zurückverfolgen läßt, mit Gewißheit einen massiven nuklearen Vergeltungsschlag nach sich zieht.

Im Gegenzug für zuverlässige Garantien, daß sie sämtliche Atomprogramme für Inspektionen zugänglich gemacht und jegliche Weiterentwicklung ihrer nuklearen Kapazitäten beendet haben, sollten wir Nordkorea diplomatische Beziehungen, Wirtschaftshilfe und einen Sicherheitspakt anbieten, der mit dem Rückzug amerikanischer Truppen von der koreanischen Halbinsel zu besiegeln wäre.

So schwer seine Vergehen sind, Kim Jong-ils Regime wird niemals an das Unheil herankommen, das Josef Stalin oder Mao über die Welt gebracht haben. Beide von ihnen hatten größere nukleare Arsenale, als sie Kim Jong-il jemals erreichen wird - und doch hat Amerika niemals Krieg gegen sie geführt. Schluß mit den kriegslüsternen Posen! Sie haben am allerwenigsten dazu beigetragen, Amerika sicherer zu machen.

 

Patrick J. "Pat" Buchanan, Jahrgang 1938, ist Fernsehkommentator und Mitgründer des US-Magazins "The American Conservative". Er war mehrfach Präsidentschaftskandidat, zuletzt 2000 für die Reform Party. 1992 unterlag er auf dem republikanischen Nominierungsparteitag US-Präsident George Bush.


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