© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/06 03. November 2006

Meldungen

Hannah Arendt: Theoretische Leere

BERLIN. Zu ihrem 100. Geburtstag bestimmten die Lobreden auf Hannah Arendt international den Ton, die sie zur größten politischen Denkerin des 20. Jahrhunderts stilisierten. Von ihrer erstaunlich schwach ausgebildeten politischen Urteilskraft und den zahlreichen Leerstellen ihrer Totalitarismustheorie war dabei anlaßbedingt weniger die Rede. Dies thematisiert, wenn auch eher unfreiwillig, Stefan Auer (Dublin), der die Zeitanalytikerin Arendt mit den drei Revolutionen im kommunistischen Machtbereich (1956, 1968, 1989) konfrontiert. Weder den ungarischen Aufstand noch den "Prager Frühling" habe sie nämlich als Realitäten wahrgenommen, wie sie überhaupt stets mehr an Revolutionen "wie sie hätten sein sollen" denn an deren tatsächlichem Verlauf interessiert gewesen sei. Auch die postkommunistischen Entwicklungen ab 1989 hätte sie wohl nur mit Enttäuschung registriert, da sie ihren idealistischen Erwartungen zuwiderliefen. Erhoffte sie doch von Revolutionen stets einen Demokratisierungsschub im Sinne der "Rätedemokratie". So hätte sie der Untergang des roten Totalitarismus also einzig in ihrer Überzeugung bestätigt, daß Macht, die auf Gewalt ruht, nicht von Dauer ist. Als politische Theorie ist dies wiederum nicht sonderlich originell. Schon Talleyrand wußte, daß man auf Bajonetten nicht sitzen kann.

 

Merkels Kurs - astrologisch gedeutet

BERLIN. Ausgerechnet in Springers Welt (26. August 2006), immer noch das Stammblatt unirritierbarer CDU-Wähler, erschien das vernichtendste Zeugnis, das Angela Merkel im bundesdeutschen Blätterwald seit ihrem Einzug ins Kanzleramt ausgestellt wurde. Es stammt von Konrad Adam, der ihr politisches Vermögen auf die Kunst des Machterhalts reduziert. Auf die Frage nach dem Warum und Wozu der Macht sei sie jedoch bisher ihre Antwort schuldig geblieben. Unter den Politologen scheint allein der treue Atlantiker Christian Hacke (Bonn) zumindest Spurenelemente einer außenpolitischen Konzeption bei der Unionskanzlerin ausgemacht zu haben (Aus Politik und Zeitgeschichte, 43/06). Demnach tarne ihre Inhaltslosigkeit nur eine längerfristige Strategie. Sie lasse "zunächst alle Optionen offen", um bis zum US-Präsidentenwechsel 2008 nicht in den "Sog amerikanischer Fehler" zu geraten. Was dann kommen soll, der Kurs zukünftiger Berliner Weltpolitik, vermag aber auch Hacke eher zu wünschen als vorherzusagen. Ganz im vagen Stil seiner Kanzlerin glaubt er an die Möglichkeit "kluger Balance" zwischen nationaler Selbstbehauptung und "globaler Verantwortung", europäischer wie transatlantischer "Verpflichtung", was eher nach Astrologie als nach politologischer Analyse klingt.

 

Erste Sätze

"Eisig strich der Nordwestwind über die Düne, der Nehrung hin von Wasser zu Wasser." Hans Hoffmann, Landsturm. Erzählung, Berlin 1893


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen