© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/06 10. November 2006

Wann, wenn nicht heute?
von Bernd-Thomas Ramb

Der Ausgang des Streites um die Verteilung der Steuermehreinnahmen offenbart vor allem die erschreckende Perspektivlosigkeit der Großen Koalition: ein bißchen für die Senkung der Neuverschuldung, etwas mehr den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung gesenkt, den Wohngeldzuschuß für Hartz-IV-Empfänger angehoben und vielleicht auch noch die Kosten der Krankenversicherung aus Steuerzuschüssen weiter gemildert. Die Bundeskanzlerin versucht mit ihrer Bezeichnung dieser Mischverwendung als "echte Zukunftsentscheidung" die mediale Flucht ins Gegenteil - oder ist sich des Horrors ihrer Zukunftsvision nicht bewußt.

Vollkommen vergessen scheint, daß die Staatshaushalte weiterhin enorme Defizite aufweisen. Immer noch türmen sich bei Bund, Ländern und Gemeinden gigantische Schuldenberge auf, deren Zinsverpflichtungen einen Großteil der laufenden Steuereinnahmen auffressen. Was liegt da näher als die alleinige Verwendung der unverhofften Steuermehreinnahmen zum Abbau der Neuverschuldung? Selbst dann würde der Schuldenberg ja noch weiter ansteigen. Wann, wenn nicht in Zeiten hoher Steuereinnahmen, soll jemals eine Tilgung der aufgehäuften Schuldenlast ins Auge gefaßt werden? Statt dessen gibt die Regierung, um wohlwollendere Einschätzung buhlend, dem Gejammer der zahlreichen politischen Interessengruppen nach. Die Wehklagen der kommenden Generationen, die die Schuldenerblast vergangener Ausgabenorgien zu tragen haben, bleiben ungehört.


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