© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/06 10. November 2006

CD: Rock / Metal
Alt und Jung
Jörg Fischer

Ein Vierteljahrhundert ist es her, daß sich vier britische Avantgarde-Rockmusiker entschlossen, mit kommerzielleren Kompositionen noch erfolgreicher zu werden: Sänger/Tastenvirtuose Geoff Downes und Gitarrist Steve Howe von YES, Sänger/Bassist John Wetton von Uriah Heep bzw. King Crimson sowie Schlagzeuger Carl Palmer von Emerson, Lake & Palmer gründeten 1981 Asia - eine der Erfolgsgruppen der frühen Achtziger. Ihr Millionenerfolg "Heat Of The Moment" dürfte selbst Genrefremden nicht unbekannt sein. Doch nach den drei Alben ließ der Erfolg nach und das Besetzungskarussell drehte sich. Und da ein geplantes Wiedervereinigungsalbum bislang nicht zustande kam, muß man mit dem neuen Wetton/Downes-Album "Icon II" (Frontiers Records/Soulfood) vorliebnehmen. Wie beim recht ruhig ausgefallenen "Icon I"-Album wird der Asia-Freund nicht enttäuscht - die beiden Mittfünfziger haben 50 hörenswerte Rockminuten produziert, die an frühere Erfolge anknüpfen. Herausstechend sind "To Catch a Thief" und "Tears of Joy", wo die 33jährige Anneke van Giersbergen - im Hauptberuf Mutter und Sängerin der niederländischen The Gathering - mit ihrer reizvollen Stimme einen zusätzlichen Akzent setzt.

Die dänischen Pretty Maids können ebenfalls ihren 25. Jahrestag feiern - allerdings ist das neueste Werk von Gitarrist Kenneth Hansen (Künstlername "Ken Hammer") und Reibeisensänger Paul Christensen ("Ronny Atkins") nur bedingt empfehlenswert. Die zehn Eigenkompositionen auf "Wake up to the Real World" (Frontiers Records/Soulfood) reichen nicht an ihre Ohrwurmalben "Red, Hot & Heavy" (1984), "Future World" (1987) oder "Jump The Gun" (1990) heran. Lediglich das im Original von Deep Purple stammende "Perfect Strangers" bleibt nach dem ersten Hören in Erinnerung. Aber dafür sind die Live-Konzerte der Mittvierziger immer ihr Geld wert.

Überraschend klingt das neue Album der 1989 gegründeten britischen Hardrocker Thunder. Der Titel "Robert Johnson's Tombstone" (Frontiers Records/Soulfood) ist nicht ohne Grund gewählt: Der im US-Bundesstaat Mississippi geborene Bluesmusiker Robert Johnson wäre in diesem Jahr 95 Jahre alt geworden. Obwohl er schon 1938 starb, beeinflußte er mit seinem Delta-Blues nachträglich die Gitarristen von Cream, Fleetwood Mac, Led Zeppelin oder den Rolling Stones - und nun auch das Donnerquintett von Danny Bowes, Ben Matthews und Luke Morley. Die spielen zwar nur in der dritten Liga - aber wem AC/DC oder die Schweizer Krokus gefallen und wer sich an einer Prise Blues nicht stört, der sollte mal reinhören.

Ungewöhnlich tönt das neue Album "Origin" (Century Media) von Borknagar aus den Lautsprechern, vor allem wenn man bedenkt, daß die norwegische Gruppe um den Multiinstrumentalisten Øystein G. Brun vor zehn Jahren noch rohen Black Metal offerierte. Doch seit der Schwede Andreas Hedlund (ansonsten Chef von Vintersorg) Simen Hestnæs am Mikro abgelöst hat, wird der Hörer nicht nur mit melodischem Gesang, sondern auch von Flöten, Geigen und akustischen Gitarrenklängen verwöhnt. Obwohl leider ausschließlich englisch gesungen, klingt die nur 35 Minuten lange CD dennoch ziemlich skandinavisch - und ist eine Empfehlung für kalte Winterabende.

Arg gewöhnungsbedürftig dröhnt "The Dead Eye" (Century Media) der einstigen Trashmetaller The Haunted aus den Boxen. Der zurückgekehrte Frontmann Peter Dolving versucht sich zwar als Kopie von Anders Fridén (In Flames), aber die meist nach trendigem Metalcore oder Seattle-Grunge klingenden 13 Titel der fünf Schweden dürften vor allem Jugendlichen in weiten Hosen und mit Rapper-Mütze gefallen.


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