© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/06 24. November 2006

Zeitschriftenkritik: Fluter
Türkisch für Anfänger
Jochen Schmitt

Fluter heißt das viermal jährlich erscheinende "Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung" - so der Untertitel - und wartet im neuesten Heft mit einem brandaktuellen Thema auf: "Hallo, Nachbar - Das Türkei-Heft". In dem jugendgemäß aufgemachten Heft mit vielen Bildern wird versucht, das Leben und die Kultur der Türkei darzustellen, ohne aber die komplexen, oft widersprüchlichen politischen und wirtschaftlichen Aspekte auszublenden, wie das bei politisch korrekten Publikationen oft der Fall ist.

Ein Beitrag ist Mustafa Kemal gewidmet, dem nach der Einführung von Familiennamen 1934 der Name Atatürk, Vater aller Türken, verliehen wurde und dessen Staatsvorstellungen die Türkei heute noch prägen. Der streng laizistisch orientierte, in Griechenland geborene Staatsgründer ist in der Türkei allgegenwärtig: ein Flughafen, ein Olympiastadion wurden nach ihm benannt, die Geldscheine tragen sein Konterfei; bei vielen gesellschaftlichen Feiern ist es üblich, daß mindestens ein Zitat von ihm zum besten gegeben wird. Er schuf zwar einen modernen Staat, stärkte die Rechte der Frauen, privat hielt er aber vieles anders. Es gibt sogar ein Gesetz, das sein Andenken vor Verunglimpfung schützt. Für Europäer ist es kaum nachzuvollziehen, daß ein Staatsgründer derart verehrt wird.

In einem Artikel über Minderheiten in der Türkei erfährt man, wie die Kurden und Armenier durch den Staat diskriminiert werden. Da auf dem Gebiet der Türkei verschiedene Völker beheimatet sind, ist der zentralistische Staat bemüht, die türkische Identität zu wahren, was dazu führt, daß Kurden offiziell "Bergtürken" heißen. Noch härter trifft es die christlichen Armenier. Selbst dem informierten Zeitungsleser dürfte nicht bekannt sein, daß Armenier oft zwei Namen haben, einen türkischen im Ausweis und einen armenischen, mit dem sie gerufen werden.

Bei der Darstellung religiöser Minderheiten sind der Redaktion leider einige Fehler unterlaufen: So steht unter der Abbildung eines "russischen Kreuzes" mit zwei oberen Querbalken und unten im Fußbereich einem kleineren, schrägen Querbalken irrigerweise, daß es sich hier um ein "lateinisches Kreuz" handle, das "in der Ostkirche gebräuchlich" sei. Tatsächlich ist das "lateinische Kreuz" vorwiegend im Westen gebräuchlich und besteht aus einer Vertikalen, bei der sich im oberen Drittel ein kürzerer Querbalken befindet.

Die Entwicklung der türkischen Sprache wird in einem interessanten Aufsatz dargestellt. Nach der Einführung des lateinischen Alphabets 1928 verfügte Atatürk eine Reform des Türkischen auf der Grundlage des Istanbuler Dialekts. Dennoch lernte er selbst nie das Neutürkische, sondern ließ sich bis zu seinem Tod alle Texte übersetzen. Lesenswert sind die Ausführungen zu den türkischen Lehnwörter im Deutschen: So stamme etwa der Begriff "Kiosk" vom französisch "kiosque", und dieses Wort komme wiederum von "kösk" (offener Gartenpavillon). Ähnliches gelte für "Kaffee", ursprünglich hieß er auf Neutürkisch "kahve".

Anschrift: Bonifatius GmbH, Stichwort: Fluter, Postfach 1269, 33042 Paderborn, Internet: www.fluter.de 


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