© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/06 24. November 2006

Strauss' Rat überhört
Nürnberg: "Rosenkavalier"
Werner Veith

Die Zuschauer waren vorgewarnt. Während eines Informationsvormittags zum "Rosenkavalier" zitiert die Regisseurin Helen Malkowsky den Operntexter Hugo von Hofmannsthal (1874-1929): Der "Rosenkavalier" solle nicht im historisch-authentischen Wien spielen, sondern in einem imaginierten Wien um das Jahr 1740. Aha, ein imaginiertes, also herbeiphantasiertes Maria-Theresia-Wien steht uns in Nürnberg bevor. Öffnen sich jetzt die Scheunentore einer obskuren Regie-Phantasie? Wie bei den Salzburger Festspielen, wo sich ein Beisl (eine Gastwirtschaft) in ein Bordell verwandelte. Oder wie in der Hamburger Inszenierung von Peter Konwitschny, der mit fragwürdiger Psychoanalyse und mit Plastikpuppen den eigentlichen Reiz der musikalischen Komödie zerstörte.

Nein, den Weg nach Salzburg oder Hamburg kann man sich sparen, ganz und gar. Nicht nur wegen der werknahen Aufführung in Nürnberg, sondern besonders wegen drei wonniger Frauenstimmen, die innigen Musikzauber versprühen: Christine Libor als Feldmarschallin, Frances Pappas als Octavian und Heide Elisabeth Meier als Sophie. Wäre da nicht das Orchester ...

Schade, daß sich der neue Chefdirigent Christof Prick so wenig für Richard Strauss' (1864-1949) Dirigatempfehlungen begeistert: "Begleite den Sänger stets so, daß er ohne Anstrengung singen kann" oder "es genügt nicht, daß du jedes Wort des Sängers, das du auswendig weißt, selber hörest, das Publikum muß mühelos folgen können," meint Strauss in seinen "Zehn goldene Regeln. Einem jungen Kapellmeister ins Stammbuch geschrieben" (1925). "Lasse niemals Hörner und Holzbläser aus dem Auge: wenn du sie überhaupt hörst, sind sie schon zu stark... Wenn du glaubst, das Blech blase nicht stark genug, so dämpfe es nochmals um zwei Grade." Soweit Richard Strauss. Gleichwohl ist nicht zu verkennen: Die Akustik in Opernhäusern kann enorm variieren. Ein neuer Dirigent teste die Eigenarten eines Saales.

Ansonsten ist zu vermelden: Nürnberg hatte schon mal einen besseren Ochs - pardon, einen besseren Baron Ochs von Lerchenau - als Guido Jentjens, nämlich Heinz-Klaus Ecker. Dessen dunkler, kräftiger und tiefer Baß ist in ganz Europa bekannt. An der Bayerischen Nationaloper in München durfte er das Publikum erfreuen - in Nürnberg dagegen nicht mehr. Solche Bocksprünge der Theaterleitung sind vielen unerklärlich. Von den wenigen Aufführungsterminen im Jahr 2007 (lediglich zwei!) zu schweigen.

Alles in allem: Wenn Dirigent Prick das Orchester etwas bändigen könnte, sobald zarte Frauenstimmen anheben, dann wäre dem "Rosenkavalier" viel geholfen, einem der letzten Höhepunkte deutscher Tonkunst. Nur so kommen die zum Weinen schönen und glanzvollen, funkelnden Verse des Seelendichters Hugo von Hofmannsthal zur Wirkung - und Franz Beckenbauer würde beim Schlußterzett bestimmt wehmütig fragen: "Ja, sind wir schon im Paradies?"

Die nächsten Aufführungen in der Nürnberger Oper, Richard-Wagner-Platz 2, finden statt am 25. November, 3./10./16. Dezember sowie am 21. Januar 2007. Kartentelefon: 018 01 / 34 42 76


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