© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/06 01. Dezember 2006

"Anpassung an deutsches Preisniveau"
Energiepolitik I: Die Übernahme des spanischen Endesa-Konzerns wird für Eon schwieriger als gedacht
Hans-Ulrich Pieper

Am 16. November genehmigte die Madrider Börsenaufsicht nach monatelangem Hickhack das 37 Milliarden Euro schwere Übernahmeangebot der Düsseldorfer Eon AG für den Madrider Endesa-Konzern. Die Umsetzung des Plans würde Eon zum weltgrößten Energieversorger machen - denn der spanische Versorger zählt wie Eon zu den der größten Energiekonzernen der Welt. Seine Aktivitäten umfassen nicht nur die Erzeugung, den Transport und den Vertrieb von Strom, sondern auch den Gas- und Energiehandel. Laut eigener Aussage hat Endesa derzeit 20,9 Millionen Kunden in elf Ländern auf drei Kontinenten.

Allerdings gestaltet sich die Endesa-Übernahme wegen weiterer Hürden äußerst kompliziert. Doch der Eon-Vorstandsvorsitzende Wulf H. Bernotat läßt nicht locker. Da mögen dem aus Göttingen stammenden 58jährigen Ex-Shell-Manager noch so viele Gegner weitere einstweilige Verfügungen in den Weg legen, der Eon-Chef gibt nicht auf. Schon sein Vorgänger Ulrich Hartmann hat sich mit dem Erwerb von Ruhrgas als ein Meister der komplizierten Eigentümerstrukturen erwiesen - und per Ministererlaubnis damals den Widerspruch des Bundeskartellamts ausgehebelt.

Doch Spanien ist nicht Deutschland und Endesa nicht die Ruhrgas AG. Die Spanier wollen ihren größten Energiekonzern nicht ohne Widerstand von den Deutschen übernehmen lassen. Es wird mit harten Bandagen gekämpft. Was sich auf der iberischen Halbinsel derzeit zusammenbraut, fordert inzwischen nicht nur die spanische Regierung und die EU, sondern sogar New Yorker Richter heraus, die offenbar überall zuständig sein können.

Angst vor möglichen Preissteigerungen

"Wir gehen davon aus, daß es schwieriger wird für Eon, Endesa zu übernehmen" meint Per-Ola Hellgren, Analyst von der Landesbank Rheinland-Pfalz. Für ihn sind vor allem die Aktivitäten des spanischen Baukonzerns Acciona zu einer großen Unbekannten geworden. Der Konzern, der sonst wenig mit Energie zu tun hat, hat offenbar mit Rückendeckung der spanischen Regierung und seiner Hausbank Santander 24,9 Prozent Endesa-Anteile erworben - ein unfreundlicher Akt, der Eon veranlaßte, sein Kaufangebot auf nun 37 Milliarden Euro aufzustocken.

Dann kam die nationale Energiebehörde Spaniens CNE und stellte dem deutschen Anbieter "19 Bedingungen", so beispielsweise die lukrativen Märkte auf den Balearen und Kanaren aus dem Konzern auszugliedern und künftig nicht mehr zu versorgen. Daraufhin schlug Eon zurück und schaltete die EU-Kommission ein. Die erklärte die 19 Bedingungen der CNE für illegal.

Ein weiterer Eon-Hieb traf den spanischen Baukonzern Acciona. Die Düsseldorfer reichten bei einem New Yorker Gericht Klage gegen Acciona ein. Die Begründung: Das Unternehmen habe irreführende Angaben zu seinen strategischen Zielen bei dem spanischen Versorger gemacht. "Ziel der Klage ist, Acciona zu einer Richtigstellung ihrer Veröffentlichungen zu veranlassen", teilte Eon mit. Der Analyst Hellgren spricht von einem klugen Schritt der Düsseldorfer. Denn jetzt müsse Acciona die Karten aufdecken und den Aktienkauf bei Endesa begründen - auch ein taktisches Vorgehen, um die Endesa-Übernahme im Verbund mit anderen zu verhindern. Vor zwei Wochen meldete die Tageszeitung El País, der spanische Großinvestor Manuel Jove Capellán plane einen Einstieg bei Endesa, um die Eon-Übernahme zu verhindern. Auch wenn es nur ein Gerücht ist - aus dem Verkauf zweier großer Aktienpakete soll Jove angeblich 2,8 Milliarden Euro flüssiges Kapital besitzen.

Das Spiel kann für Acciona und die Bank Santander übrigens böse enden. Sollte nämlich Eon seine Kaufofferte zurückziehen, dürfte der Endesa-Kurs drastisch einbrechen und bei den Aktionären Heulen und Zähneknirschen auslösen, prognostizieren Börsianer. Aber für Bernotat sind solche Szenarien derzeit nicht akut. "Wir stehen zu unserem Angebot und sind von der strategischen und industriellen Logik der Übernahme überzeugt", stellte er klar.

Doch der Eon-Chef hat schon bewiesen, daß es auch anders geht. Bei Scottish Power beispielsweise zog er eine Kaufofferte zurück, als der Preis zu hoch wurde. Bei Endesa hat er ihn gerade erst erhöht. "Trotzdem ist der Rückzug eine Waffe für Eon", meint Hellgren - und sei es nur, um Acciona und seine Hintermänner an den Verhandlungstisch zu zwingen.

Einiges Entsetzen hat in Spanien ein Pressegespräch ausgelöst, in dem das Eon-Vorstandsmitglied Erhard Schipporeit zu den Folgen der Übernahme vollmundig Stellung nahm. Man wolle den Endesa-Kauf über eine Erhöhung der Verbraucherpreise in Spanien finanzieren. Dabei könnte eine "Anpassung an das deutsche Preisniveau" realistisch werden, so der Eon-Vorstand. Zur Zeit kostet eine Kilowatt-Stunde in Spanien um die neun Cent, in Deutschland zahlen Stromkunden im Schnitt über 20 Cent. So würde die deutsche Übernahme dem spanischen Stromkunden eine Preissteigerung im dreistelligen Prozentbereich bringen. Klar, daß die Spanier hinter dem nationalen Kurs ihrer Regierung und Konzerne stehen.


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