© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/06 01. Dezember 2006

Kurvenreich
Martin Semmelrogge legt seine Autobiographie vor
Peter Lebitsch

Pfiffig und schalkhaft sieht er aus, das Gesicht wirkt trotz vieler Falten jugendlich, und nicht zufällig markierte "irres Lachen" den Beginn der schauspielerischen Karriere. Martin Semmelrogge streitet mit sich selbst. "Morgens aus dem Blechnapf fressen und abends umjubelt auf der Bühne stehen, armer Knacki und wohlhabender Promi." Kurvenreich verlief sein Leben. Dreißigmal stand Semmelrogge vor Gericht und saß fünf Jahre hinter schwedischen Gardinen. Diese Autobiographie entstand während seiner letzten Haftzeit.

1955 als Sohn des Schauspielers Willy Semmelrogge geboren, lebte er in Württemberg und besuchte eine Waldorfschule, die er mit 15 Jahren verließ. Dann arbeitete er, protegiert vom Vater, für den Bayerischen Rundfunk. Anfang der Siebziger spielte Semmelrogge im "Kommissar" die erste Fernsehrolle; gern mimte der Jungstar den "Kriminellen" oder Außenseiter.

Er sei ein "ewiger Rebell", behauptet der Verlag großspurig. Der Autor selbst widerlegt diese naive Reklame. Semmelrogge lebte "so spießig wie andere, mein Rebellentum erschöpfte sich im Kampfsaufen oder Kiffen". Eigentlich war er "ein typisches Kind seiner Zeit" und genoß "Sex, Drugs and Rock'n Roll". Früh verlor Semmelrogge "das sowieso geringe Interesse an politischen Themen".

Berühmt wurde Semmelrogge durch die Rolle des 2. Wachoffiziers in "Das Boot". Auch hier vermißt man jede tiefere Stellungnahme und Hintergrundinformation. Alles hängt an der Oberfläche - wie die Persönlichkeit des Verfassers. Künstlerisch blieb das "Boot" der Endpunkt. Soap-Serien und miserable Kinofilme folgten. "Ich wollte ein schnelles Auto und eine schicke Wohnung, und ich wollte über einen roten Teppich laufen und dabei blöd in Kameras grinsen." Der gleiche Mann versteht nicht, warum ihn niemand für "anspruchsvolle Literaturverfilmungen" engagieren wollte!

Seit 1982 wechselten Haftstrafen, regelmäßig wegen Fahrerflucht verhängt, Filmauftritte und Entzugskuren einander ab. Semmelrogge glaubt, er sei "asozial" und fürchtet, "sein Leben zu verschwenden". Der Daseinssinn fehlte, heißt es beiläufig. Oberflächlichkeit, Charakterschwäche, Kindsköpfigkeit? "Ich bin mir selbst sozusagen ein Rätsel."

Martin Semmelrogge: Das Leben ist eine Achterbahn. Langen Müller, München 2006, geb., 236 Seiten, 19,90 Euro


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