© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/06 08. Dezember 2006

Pädagogischer Tod
von Ivan Denes

Forensische Experten in Großbritannien haben festgestellt, daß der Ex-KGB-Mann Alexander Litwinenko mit einer Menge des radioaktiven Polonium-210 ermordet wurde, die das Hundertfache der tödlichen Dosis betrug. Der Preis für eine solche Menge des seltenen Elementes soll bei 30 Millionen Euro liegen. Damit ist die Täterschaft einer privaten Person ausgeschlossen. Litwinenko ist offenbar Opfer eines "institutionellen" Mordes geworden. Unschwer zu folgern, um welche Institution es sich handelt, zumal es quer durch das vergangene Jahrhundert Präzedenzfälle gibt: Leon Trotzki und sein Sohn Sedow, die Ukrainer Lew Rebet und Stefan Bandera, die Bulgaren Wladimir Kostow und Georgei Markow - die Liste könnte beliebig verlängert werden. Sie wurden allesamt Opfer des sowjetischen Geheimdienstes oder seiner osteuropäischen Filialen. Von der Tscheka über GPU, NKWD, KGB und bis zum heutigen russischen Auslandsdienst: Alle hatten die "Lizenz zum Töten".

Der unmittelbare Grund, der zur "Beseitigung" Litwinenkos geführt hat, wird im dunkeln bleiben. Der Mann soll im Mordfall Anna Politkowskaja recherchiert haben, in der Affäre Yukos/Chodorkowski, er hatte enge Kontakte zu Andrei Lugovoi, einem anderen Ex-KGB-Mann - um den aufzustöbern, ist jetzt eine Ermittlungsgruppe von Scotland Yard nach Moskau gereist. Geheimdienstler sind wie mittelalterliche Ordensleute: Abfall oder Verrat wird mit einem exemplarischen - sozusagen pädagogischen - Tod bestraft.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen