© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/06 08. Dezember 2006

Kolumne
Make love and war
Herbert Ammon

Die Opposition, so will es der parlamentarische Brauch, muß zu jeder Regung der Regierung etwas Oppositionelles zu sagen haben. Ferner geht es ihr grundsätzlich um die von den Regierenden stets unzureichend verwirklichten demokratischen Grundwerte, unter anderem Gerechtigkeit, Freiheit, Frieden.

Von Merkel/Müntefering in die Opposition verwiesen, spielen die Grünen ihre Rolle vortrefflich, so daß die Medien ihnen stets den Vorzug vor der oppositionellen Konkurrenz PDS geben. Es gilt folgendes zu vermitteln: Unter der Ägide von Joseph Fischer vollzogen die Grünen die friedenspolitische Kehre vom Pazifismus zu friedensstiftenden Maßnahmen. Nunmehr kehren sie zum grünen Gründungsmythos zurück, zum Engagement für Frieden weltweit. Der Friedensbeitrag der schwarz-roten Regierung "Bundeswehreinheiten im Kosovo, am Hindukusch, in Kinshasha und an den Küsten des Libanon" genügt den Grünen nicht. Sie fordern die Aufstockung der Auslandseinsätze der Bundeswehr, denn es gibt viel zu tun: in Darfur, am Horn von Afrika, demnächst auch in Kandahar. "The Germans to the front!" (Irak gilt als Sonderfall. Er wird für publikumswirksame Bush-Beschimpfung und den nächsten Wahlkampf benötigt. Dann gilt wieder das Gegenteil.)

Nota bene: Bei peace-enforcing measures darf, ja muß zuweilen geschossen werden. Wie verträgt sich das mit grünem Pazifismus? Ohne Widerspruch, denn erstens: Den Altkadern aus den K-Gruppen diente Pazifismus im Programm stets als fromme Mär fürs friedensbewegte Wahlvolk. Zweitens: Wer von Herzen Pazifist ist, dem dringt angesichts der bösen Welt stets die Befreiung vom Übel vermittels gewaltsamer Notwehr als rettender Gedanke ins Herz. Spirituelle Vorläufer gibt's in der Weltgeschichte genug: von den Wiedertäufern der Reformation über Woodrow Wilson, der die USA 1917 in den Krieg führte, um "jeglichen Krieg zu beenden", bis zu den kommunistischen Friedenskämpfern, die immer bereit waren "zum letzten Gefecht". Drittens: Die von den Grünen friedenspolitisch begründete Abschaffung der Wehrpflicht dient doppelt höheren Zwecken: Sie signalisiert den Eintritt der Bundesrepublik in die "demokratische Normalität". Und sie dient als Arbeitsbeschaffungsprogramm für die multikulturellen Pisa-Opfer.

So bewahren die Grünen unser humanistisches Bildungsgut: Si vis pacem, para bellum, grün übersetzt: Make love and war. Zwangsprostitution im Kosovo ist dabei nicht gemeint. Wir benötigen den Stoff noch für die nächste öffentliche Erregungskampagne.

 

Herbert Ammon lebt als Historiker und Publizist in Berlin.


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