© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/06 08. Dezember 2006

Hugo Diederich
Der Einiger
von Ekkehard Schultz

Der Stimme der Opfer des Kommunismus wird in Deutschland bekanntlich wenig Beachtung geschenkt. Das liegt nicht nur an der Opferhierarchie im Lande, sondern hat auch hausgemachte Gründe. So ist für viele Außenstehende die Fülle der Opferorganisationen schwer zu überblicken. Skeptisch wird von Politikern und Medien auch die Dualität der beiden größten Verbände, der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS) und des Bundes der Stalinistisch Verfolgten (BSV) gesehen. Diese Situation zu ändern und die Kräfte in einem schlagkräftigen Verband zu bündeln, das ist das Anliegen von Hugo Diederich.

Der ehemalige "Republikflüchtling", der bislang in Berlin als Geschäftsführer und Bundesvorstand der VOS tätig war, wurde vor gut zwei Monaten zum neuen BSV-Vorsitzenden gewählt, ohne sein VOS-Amt aufzugeben. Da Diederich zudem seit drei Wochen kommissarisch den Vorsitz der VOS führt, steht mit der Personalunion das Thema der Vereinigung der beiden Verbände wieder auf der Tagesordnung.

Der 1954 im Eichsfeld in Thüringen geborene ehemalige Bankkaufmann saß ab 1986 wegen eines mißglückten Fluchtversuchs über Ungarn elf Monate in Haft, nachdem er schon zuvor wegen seiner nicht zuletzt katholisch fundierten Abneigung gegen die Partei mit der SED aneinandergeraten war. 1987 wurde er von Bonn freigekauft, 1991 trat er der VOS bei, wurde 2003 ihr Geschäftsführer. Bereits seit Jahren zählte Diederich zu den eifrigsten Befürwortern einer Fusion.

Die VOS, gegründet 1950 in West-Berlin, wurde zur Interessenvertretung der in den Westen entkommenen DDR-Verfolgten und -Bedrängten, während der 1990 in Leipzig gegründete BSV vor allem den in der ehemaligen DDR lebenden SED-Opfern als Anlaufstelle diente. Längst hat sich gezeigt, daß vierzig Jahre Teilung auch zwischen den deutschen Kommunismus-Opfern Gräben gezogen haben. Vielen VOS-Leuen gelang es meist vergleichsweise gut, in der Bundesrepublik eine neue Existenz aufzubauen. Die meisten BSV-Mitglieder, die bis 1989 in der DDR lebten und von denen auch heute noch viele in den neuen Bundesländern wohnen, sind dagegen oft in einer schlechteren sozialen Situation. Für sie, die nicht selten nur minimale Pensionen erhalten oder von Sozialhilfe leben, ist die schon seit langem von den Verbänden geforderte Ehrenpension ein für ihre persönliche Existenz weit wichtigeres Thema als für viele VOSler, deren Interesse eher in der gesellschaftlichen Anerkennung ihrer Leiden und der Aufarbeitung der kommunistischen Verbrechen liegt.

Somit ist die Verschmelzung von VOS und BSV weit mehr als nur ein administrativer Akt. Diederich wird dieses Ziel nur dann erfolgreich durchsetzen können, wenn es ihm gelingt, sich mit großer Sensibilität den Interessen aller Opfer gleichermaßen anzunehmen und nicht den Eindruck der bloßen Übernahme eines Verbandes durch den anderen aufkommen zu lassen. 2007 wird sich zeigen, ob er das nötige Fingerspitzengefühl besitzt.


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