© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/06 08. Dezember 2006

Die Konservativen haben keine Wahl
CDU I: Nach der Abwahl Jörg Schönbohms aus der Parteiführung ist der rechte Flügel der Christdemokraten endgültig verwaist
Georg Pfeiffer

Flügel geben Auftrieb, sagt die Bundeskanzlerin und Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Union, Angela Merkel - wenn sie im richtigen Verhältnis zueinander stehen. Mit dem Auftrieb ist es in ihrer Partei derzeit allerdings nicht weit her. Die Union hat den für ihr Selbstverständnis und für die Verwurzelung im Volk essentiellen Flügel - den konservativen - selbst gestutzt.

Letzter Akt in diesem Trauerspiel ist die Ersetzung des brandenburgischen Innenministers Jörg Schönbohm durch den Berliner Wahlverlierer Friedbert Pflüger im Parteipräsidium (JF 49/06). Der frühere General Schönbohm gilt als der letzte herausragende Politiker mit einem klaren konservativen Profil, das für die CDU mit Männern wie Konrad Adenauer, Alfred Dregger oder Manfred Kanther einst bestimmend war.

"Leitkultur in Deutschland"

Jüngst war der geradlinige Schönbohm dadurch aufgefallen, daß er in der allgemeinen Aufregung um einen vermeintlich rassistisch motivierten Übergriff in Potsdam auf den schlichtesten Selbstverständlichkeiten der Rechtsstaatlichkeit beharrte - der Einhaltung der Zuständigkeiten, der Unschuldsvermutung und dem Vermeiden einer Vorverurteilung.

Pflüger, sein Nachfolger im Präsidium, ist in diesem Punkt weniger skrupulös. Er beteiligte sich tonangebend in einer Art "Volksfront" mit allen Linksparteien bis hin zu militanten gewaltbereiten autonomen Gruppen an der Belagerung des Bundesparteitags der NPD in Berlin, die auf seine Be- und Verhinderung abzielte. Dabei ist die NPD bei aller politischer Differenz nicht nur berechtigt, sondern nach dem Gesetz auch dazu verpflichtet, regelmäßig Parteitage abzuhalten (JF 47/06).

Diese Beteiligung an der Blockade ist nur ein Schlaglicht auf die Verfassung einer Partei, die einmal als konservative Volkspartei galt. Ein anderes ist die Manipulation am Versammlungsrecht mit dem erklärten Ziel, bestimmte Demonstrationen trickreich zu unterbinden. Die Liste ließe sich fortsetzen. An die Stelle des Bekenntnisses zur hergebrachten Lebensart trat auf dem Dresdner Parteitag nun eine inszenierte Scheindiskussion zwischen den Befürwortern einer neoliberalen Aufhebung des Kündigungsschutzes und einer angeblich gerechteren Verteilung von Leistungen der Arbeitslosenversicherung.

Wie konnte es soweit kommen? Man kann es gut studieren an dem exemplarischen "Fall Hohmann" nach der Rede des damaligen CDU Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann zum Tag der Deutschen Einheit 2003. Der politische Gegner beschwört im Verbund mit tonangebenden Medien einen angeblichen Rechtsextremismus in der Mitte der Gesellschaft und unterstellt bestimmten Personen oder Gruppen eine geheime Zustimmung und Sympathie für die übelsten Verbrechen des vergangenen Jahrhunderts. Diese unterstellte Verbindung wird so lange thematisiert und skandalisiert, bis in der Tat eine gesellschaftliche Ächtung eintritt und sich um den oder die Betroffenen ein "Bannkreis" bildet. Wer dann noch mit ihm redet, ihn verteidigt oder sich auch nur weigert, in die allgemeine Entrüstung einzustimmen, ist gleichfalls der verdeckten verbrecherischen Gesinnung verdächtig.

So erging es im letzten Jahr etwa dem Vorsitzenden eines Kreisverbandes der Jungen Union, Steffen Bokunewitz (JF 5/05). Der hatte Hohmann trotz des Parteiverbotes zu einer Vortragsveranstaltung eingeladen. Kaum war das bekanntgeworden, sauste auch auf ihn das Fallbeil der medialen Skandalisierung herab. Ähnliches ist aktuell auch am Beispiel des sächsischen CDU-Abgeordneten Henry Nitzsche zu beobachten (siehe den Artikel auf dieser Seite). Dieser "Kampf gegen Rechts" ist effektiv und richtet sich in der Tat, wie der Name sagt, nicht etwa gegen Rechtsextremismus, sondern gegen konservative, in der politischen Arithmetik "rechte" Positionen schlechthin. Er arbeitet so effektiv, daß sogar in der gegenwärtigen Bundesregierung sich die Familienministerin Ursula von der Leyen, selber in der CDU beheimatet,
gezwungen sieht, ihn weiter zu alimentieren und die Förderung sogar aufzustocken.

In der Folge rücken selbst etablierte Politiker vom Konservatismus ab. So wollte der frühere Vorsitzende der Bundestagsfraktion von CDU/CSU, Friedrich Merz, auf keinen Fall als Konservativer bezeichnet werden. Der jetzige Fraktionsvorsitzende Norbert Lammert sagte etwa in der verunglückten Leitkulturdebatte, es gebe keine deutsche Leitkultur, sondern nur eine "Leitkultur in Deutschland".

Für viele konservative Wähler ist die CDU so kaum noch wählbar, sondern allenfalls das kleinere Übel. Die NPD mit ihrer mehr oder minder offenen Anknüpfung an den Nationalsozialismus ist für sie schon gar keine Alternative. Lokal bilden sich daher regelmäßig Wahlalternativen wie seinerzeit die Schill-Partei, die sich um konservative Wähler bemühen. Nach Anfangserfolgen verstrickten sie sich im Gestrüpp interner Streitigkeiten oder fielen infolge politischen Drucks der Marginalisierung anheim. Der Konservative hat im politischen System Deutschlands keine Wahl.

Foto: Friedbert Pflüger und Angela Merkel nach der Wahl in Berlin: Gruppenbild ohne Konservative


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen